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Wechsel-Wind

Titel: Wechsel-Wind
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konzentrierte sich auf sein Dilemma und musterte alle Geschöpfe des Landes ganz genau. Die große Mehrheit war schlichtweg ungeeignet, vollauf mit den eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Keiner davon würde etwas mit einem eigenartigen Monstrum zu tun haben wollen. Um genau zu sein, würden sie entweder vor Nimby davonlaufen oder ihn angreifen, je nachdem, wieviel Mut sie gerade zusammenraffen konnten. Er hingegen benötigte jemanden mit einem gerüttelt Maß an Aufgeschlossenheit. Und das engte den Kreis der Kandidaten auf einige wenige ein.
    Schon in geringer Entfernung fand er eine Kandidatin und machte sich auf dem Weg. Es handelte sich um eine hübsche junge Menschenfrau, die Miß Geschick hieß. Sie war klug, anständig, liebenswert, schön und fürsorglich, und darüber hinaus beurteilte sie andere nicht allzusehr nach ihrem Äußeren. Jedem jungen Mann hätte sie die ideale Frau sein können, wäre da nicht ein kleiner Haken gewesen. Miß Geschicks Talent bestand im Unglück, und es schlug jedesmal zu, wenn sich ihr eine wirklich gute Gelegenheit bot. Deshalb war sie wahrscheinlich die ideale Partnerin für Nimby, denn er konnte – so sie ihn darum bat – jederzeit ihr Talent umkehren. Er wollte sich ihr nähern, wenn sie allein war, sich vorstellen und seinen Moment nutzen, um sie mit den Vorzügen Nimbys vertraut zu machen. Danach würde er schweigen müssen, denn so verlangten es die Bedingungen des Wettkampfs, aber eigentlich sollte das egal sein. Sie würde ihn schon kennenlernen und begreifen, daß er nicht einfach irgendein Monster war, und dann würde sie ihn bitten, ihr Geschick umzukehren. Das würde er tun, und danach sollte sie ihn wirklich mögen. Selbstverständlich würde sie sich dadurch wohl nicht gedrängt sehen, zu weinen und ihm die Träne zu schenken, aber dazu würde es vielleicht später kommen, wenn sie ihn erst wirklich gut leiden konnte. Sie weinte oft um ihre Haustiere und auch um ihre Familienmitglieder, wenn diesen ein Unglück zustieß – was ihres Talents wegen nicht gerade selten vorkam. Die Aussichten waren also wirklich gut.
    Nimby trottete dem Treffpunkt entgegen. Immerhin war der Drachenkörper recht kräftig und konnte sich rasch bewegen. Die Haut war dick und zäh genug, um Nesseln und Äste zu ignorieren, die Sehschärfe reichte aus, um einen brauchbaren Weg zu finden. Mit der Nase konnte er alle möglichen großen und kleinen Geschöpfe erschnüffeln. Plötzlich verspürte Nimby zum ersten Mal Hunger. Er war nun sterblich, also mußte er essen. Hunger stellte für ihn eine neue Erfahrung dar. Also erschnüffelte er einen Obstkuchenstrauch und biß sich einen frischen Kirschkuchen ab. Er schluckte ihn hinunter und leckte sich mit der Zunge die Eselslippen ab. Essen machte Spaß!
    Dann breitete er wieder sein Bewußtsein aus. Miß Geschick verließ gerade das Haus, um einen Sproß von der Zeitpflanze zu holen, denn ihre Mutter hatte es eilig und brauchte ein wenig mehr Zeit. »Jetzt ist die beste Zeit«, hatte sie gesagt. »Also hol sie mir nun.« Und die freundliche Geschick brach selbstverständlich sofort auf, um Zeit zu holen.
    Nimby erkundete mit Hilfe seines Bewußtseins die nähere Umgebung. Mehrere Wege führten zur Zeitpflanze, denn sie wurde von mehreren Familien benutzt, um ihrem Leben die rechte Würze zu geben. Um genau zu sein, waren sie der Meinung, Zeit sei recht kostbar. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Geschick dort auftauchte.
    Nimby überlegte sich genau, was er ihr sagen wollte, wenn sie ihn erblickte. Denn selbstverständlich würde sie ihn zunächst als furchteinflößendes Monstrum betrachten. Also sollte er sie zunächst nur ansprechen, ohne sich zu zeigen, und sie ein wenig auf seinen Anblick vorbereiten. Dann erst würde er ihr seine Eselsdrachengestalt offenbaren. Und auch so mußten seine Worte wirksam und wohl gesetzt sein, denn er durfte nur einen Moment lang sprechen. Allerdings unterschieden sich Momente; sie konnten lang oder kurz sein. In diesem speziellen Fall bestand der Moment aus dem Zeitraum bis zu ihrer ersten mündlichen Antwort auf seine Ansprache. Also mußte er zu vermeiden suchen, daß sie einen Schrei oder Ausruf von sich gab, sonst wäre sein Moment zu Ende, bevor er ihr seine potentielle Nützlichkeit dargelegt hätte. Die zum Beispiel darin bestand, daß er für eine gewisse Zeit ihr Talent umzukehren vermochte. Er konnte behaupten, Kehrholz zur Verfügung zu haben und zu wissen, wie man damit umging. Nein,
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