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Watermind

Watermind

Titel: Watermind
Autoren: M.M. Buckner
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aufreizenden Wellen, und ihre Lunge brannte, als sie vergeblich zu atmen versuchte. Sie sah, wie Max die Schaufel hob und die Oberfläche bearbeitete, und die donnernden Schläge hallten schmerzhaft in ihrem Kopf wider. Dann drang etwas Kaltes und Wachsartiges in ihren Mund.
    Sie versuchte zu schreien, konnte aber nicht. Das schmiegsame Eis glitt ihre Kehle hinunter und würgte sie. Eisige, nasse, weiche Finger bohrten sich in ihre Ohren und Nasenlöcher. Das Eis ging durch ihr dünnes Unterhemd und glitt unter ihre Kleidung. Sie spürte, wie es in ihre Speiseröhre, ihre Vagina, ihre Harnröhre und ihr Rektum eindrang. Ihr Herz pochte. Eis schob sich unter ihre Fingernägel und drückte auf ihre Augäpfel. Alles drückte.
    Dann verflüssigte sich das Eis so schnell, wie es sie umfangen hatte, und trieb sie nach oben. Sie brach durch die Oberfläche, und Max packte ihr Handgelenk. »Ceegie!« Er zog sie heraus und schleppte sie ans Ufer, wo sie tropfend und keuchend in seinen Armen lag. Wasser lief ihr aus den Augen, der Nase und jeder anderen Körperöffnung. Sie konnte nicht sagen, ob sie weinte und sich selbst bepinkelte oder ob es dieses … dieses verrückte Eis war.
    Ein heftiger Schauder durchfuhr sie, als sie sich umdrehte und auf den Teich starrte. Ein würgender Hustenreiz schmerzte in ihrer Lunge. Immer wieder spuckte sie Schleim aus. Welche tödlichen Chemikalien hatte sie wohl verschluckt? Ihre Gedanken rasten. Vielleicht schwammen in diesem Moment Giftstoffe durch ihre Arterien, weichten ihr Gehirn auf und vernichteten ihre Zellen. War das ihr Todesurteil?
    Auf dem Teich waren keine Spuren mehr zu sehen. Das Eis war wieder festgefroren. Es sah genauso unberührt aus, wie sie es vorgefunden hatten.

2
    Mittwoch, 9. März, 12.20 Uhr
    CJ Reilly hatte schon immer gewusst, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie besaß etwas Zerstörerisches und Verborgenes, das andere nicht einmal bemerkten. Sie hatte eine Liste ihrer schlechten Eigenschaften angelegt: Ungeduld, Unehrlichkeit, Egoismus, Respektlosigkeit, unüberlegte Entscheidungen, leichtsinnige Fahrweise – doch sie hatte nie den einen Begriff gefunden, um das, was nicht stimmte, zu benennen. Wenn sie es doch nur auf ein chemisches Ungleichgewicht schieben könnte, das mit Medikamenten zu behandeln wäre. Aber nein, sie war nicht wie ihr Vater. Ihre dämonische Seite brodelte unter der Oberfläche und wühlte sich in die Tiefe.
    Ihr Vater Harry hatte sich im März vor einem Jahr erschossen, als ihr eisiges Schneetreiben wie zerborstenes Fensterglas ins Gesicht schnitt und Boston in einem See aus braunem Schneematsch schwamm. Ihre Freunde beim MIT waren zu sehr in ihre Laborarbeit vertieft, als dass sie ihren Rückzug bemerkt hätten. Nach der Beerdigung kaufte sie sich einen Range Rover mit Allradantrieb und floh in Richtung Süden, wechselte alle zwei Monate den Wohnort und nahm irgendwelche Jobs an. Sie arbeitete nachts an der Rezeption eines Hotels in Atlantic City, analysierte Katzenkot für einen Tierarzt in Norfolk und gab Aerobicunterricht in Myrtle Beach.
    Myrtle Beach war am besten. Sie wohnte in einem Strandmotel und ging jeden Tag im nassen Sand spazieren. Die tiefblauen Wellen des Ozeans beruhigten ihre Träume. Nur wenn sie an den schäumenden Wellenausläufern entlanglief, hörte sie auf, an Harry zu denken. Als der Regen sie von den Strandbesuchen abhielt, wurde sie mutlos und hätte am liebsten alles hingeschmissen. Stell dich dem Jüngsten Gericht. Nimm deine Strafe entgegen. Bezahl deine Schuld. Dann die Erlösung. Allein das Wissen um diese Möglichkeit gab ihr den Halt zum Weitermachen. Viele andere hatten das vor ihr getan. Sie wäre nicht die Erste.
    Sie machte weiter. Geld war kein Thema – ihr Vater hatte ihr ein Vermögen hinterlassen. (Sicher verwahrt in einer Bank, die nur die Zinsen herausrückte. Selbst im Tod gelang es Harry noch, ihr Leben zu kontrollieren.)
    Der Gedanke an Harry verursachte ihr heftige Magenschmerzen, als hätte sie reines Aspirin geschluckt. Sie sagte sich, dass sie überreagierte – ihre Familiengeschichte war nichts Besonderes. Nun ja, ihre Mutter war verschwunden, als sie zwei gewesen war, aber viele Mütter ließen ihre Kinder im Stich. Und Harry hatte strikte Regeln aufgestellt: keine kohlensäurehaltigen Getränke, kein Fernsehen, keine Jungs. Aber viele Väter drängten ihre Töchter zu besonderen Leistungen. Mit vierzehn am MIT anzufangen wurde als eine gute Sache angesehen.
    Als sie die
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