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Watermind

Watermind

Titel: Watermind
Autoren: M.M. Buckner
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die Bewegungen seines Körpers geliebt, wild, frei und nass von der dampfenden Hitze auf der Tanzfläche. Doch dann war er zahm geworden.
    Nein, das war nicht fair. Er hatte Geldprobleme – sie wusste nichts Genaues, nur dass er es sich nicht leisten konnte, den Job zu verlieren. Sie selbst hatte die Arbeit aus einer Laune heraus angenommen, wie all ihre Entscheidungen in letzter Zeit.
    Sie setzte die Kopfhörer ab, ließ sich im Schneidersitz auf dem Eis nieder und schaute ihn an. Kälte drang in Wellen durch den Schutzanzug an der Stelle, auf der sie saß. »Deine Musik ist wirklich gut«, wiederholte sie, während sie den Joint glättete. »Hast du Feuer?«
    »He, schau mal! Mein Kompass bewegt sich im Viervierteltakt.« Er zeigte ihr sein Handgelenk. Die Kompassnadel schwang in gleichmäßigem Rhythmus viel stärker als zuvor hin und her. »Betonung auf dem dritten Schlag. Wie bei meiner Zydeco-Melodie.«
    »Max«, flüsterte sie, »ich glaube, die magnetische Interferenz kommt vom Teich.«
    »Du willst mir wohl Angst einjagen, Mädchen. Magnetisch?«
    Er versuchte sie vom Eis zu ziehen, doch sie lachte nur und robbte weg. »Viele Dinge erzeugen Magnetfelder. Selbst unser Blut ist magnetisch. Das ist nichts Besonderes.« Sie fischte ihr Feuerzeug aus der Beintasche und zündete den Joint an.
    »Ceegie, nicht! Dieses versteinerte Oktan könnte Feuer fangen.« Max horchte, ob es knackte.
    CJ nahm einen Zug und bot den Joint dann Max an, der abwinkte. Während er nervös vom Kompass zum Teich blickte, versuchte sie erneut zu entscheiden, ob sie ihn attraktiv fand. Die Schutzbrille verdeckte seine schönen honigbraunen Augen.
    Sie hatte oft über seine Herkunft nachgedacht. Bis auf die hellen Augen sah er wie ein amerikanischer Ureinwohner aus. Er hatte die gerade Nase und die hohen Wangenknochen der Seminolen, doch er war sehr dunkel. Seine Haut war mal olivfarben, mal sah sie aus wie Ebenholz oder Lehmerde. Bestimmt hatten ein paar seiner Vorfahren den Ozean in Ketten überquert.
    »Auf wen bist du sauer?«, fragte er abrupt. »Auf die ganze Welt?«
    »Wer sagt denn, dass ich auf jemanden sauer bin?« Sie nahm einen tiefen Zug von ihrem Joint.
    »Dieser Teich explodiert vielleicht und tötet uns beide. Doch dir ist das egal. Sie werden uns feuern, weil wir Gras rauchen. Auch das ist dir egal.« Max knirschte mit den Zähnen.
    »Es ist mir überhaupt nicht egal.«
    Als sie ihm den Joint gab, hielt er ihn zwischen den Fingern und beobachtete, wie er herunterbrannte. Das Papier machte ein leises knisterndes Geräusch. »Der Geist deines Papas muss hinübergehen, lamie. Du musst ihn gehen lassen.«
    CJ drehte sich weg, und ein kurzer Schmerz zuckte durch ihre Schläfe. »Ich war betrunken, als ich dir von ihm erzählt habe. Vergiss es.«
    Sechs Wochen waren seit Monaten die längste Zeit, die sie mit jemandem zusammen gewesen war. Vielleicht war ja der Tag gekommen, um die Sache zu beenden. Sie schlug nach einem Mückenschwarm.
    »Lass die Toten ihre Toten begraben«, zitierte er aus dem Lukas-Evangelium, obwohl er wusste, dass CJ nicht an ein Leben nach dem Tod glaubte. Er betrachtete ihren zarten Nacken, der über dem groben braunen Kragen einen zartrosafarbenen Sonnenbrand hatte. Er suchte nach ein paar tröstenden Worten für sie. Aber ihm fiel nichts ein. Es gab auch nichts, was sie trösten konnte.
    »Mein Gott! Schau dir das an!« Sie starrte in die glasige Tiefe des Teichs. Max reckte vom Ufer aus den Hals. In ungefähr zwanzig Zentimetern Tiefe lag ihr iPod eingefroren im Eis. Er war ihr wohl aus der Tasche gerutscht. Sie legte sich flach aufs Eis und lauschte. »Die Musik läuft noch.«
    »Komm endlich vom Eis runter!«, sagte Max.
    Aus dem Augenwinkel sah CJ im Teich ein blaugrünes Licht wie eine Flüssigkristallanzeige schimmern. »Schräääg«, sagte sie und zog den Vokal in die Länge.
    Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch im nächsten Moment öffnete sich das Eis und zog sie hinab. Im Bruchteil einer Sekunde schloss sich der Teich wieder über ihr. Kältewellen jagten durch ihre Brust. Sie konnte sich weder bewegen noch atmen. Fünfzig Zentimeter tief lag sie zusammengekauert wie ein gefrorener Embryo auf der Seite. Ihre Augen starrten durch die klare, harte Eisschicht zu Max hinauf, der ihren Blick entsetzt erwiderte. Zentimeter über ihrem Kopf hinterließen seine schlammverdreckten Sohlen deutliche Spuren, als er sich niederkniete und in das Eis schlug.
    Der Zydeco wummerte in lauten,
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