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Watermind

Watermind

Titel: Watermind
Autoren: M.M. Buckner
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nur darauf, blöde Verkehrsregeln einzuhalten? Sie tat ihnen doch nichts. Der Verkehr sollte fließen wie im Internet, wo sich jedes Datenpaket den schnellsten Weg suchte. Autos sollten mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sein, um den hirnlosen Fahrern unter die Arme zu greifen. Als rechts die Abfahrt auftauchte, musste sie einen roten Honda schneiden und sich durch ein wütendes Hupkonzert drängeln.
    Das Hauptgebäude von Quimicron lag innerhalb eines privaten Runddamms, einer zehn Meter hohen Erdfestung, die aufgeschüttet worden war, um die Fluten des Mississippi abzuhalten. Nur Haus 2 ragte über den Damm auf. Da es am Kanal lag, konnte man von den oberen Stockwerken aus das Treiben am Quimicron-Frachtkai beobachten. Zum Grundstück von Quimicron gehörten das stumpfe nördliche Ende des Kanals und ein Großteil des Sumpfs, in dem CJ gearbeitet hatte. Ein Eingangstor, Bewegungsmelder und Elektrozäune hielten Eindringlinge von der Anlage fern, und Videokameras überwachten sämtliche Gebäude und Parkplätze. Aber CJ besaß einen Mitarbeiterausweis und hatte sich mit dem Wachmann angefreundet, einem niedlichen pickeligen Jungen namens Johnny Poydras.
    An der Abfahrt vom Highway 61 zu Quimicron fuhr sie an den Bordstein, überprüfte ihr Spiegelbild und wischte sich einen roten Streifen Lippenstift von den Zähnen. Sie trug anständige Hosen, einen Leinenblazer und eine weiße Buttondown-Bluse. Sie bemühte sich um ein ›autorisiertes‹ Aussehen für einen ›autorisierten Zugang‹.
    Johnny Poydras grinste und winkte sie mit dem Godzilla - Comic, den er gerade las, durch das Tor. Sie fuhr hinauf zum Ringdamm, durch das Tor im Maschendrahtzaun und wieder hinab in die sandigbraune Mulde der Quimicron-Fabrikanlage. Auf den Eingangsstufen zu Haus 2 rückte sie den Ausweis, der an ihrem Revers hing, zurecht und pfiff eine fröhliche Melodie, um sich Mut zu machen – wieder war es Max' Melodie. Er war da draußen im Sumpf, schaufelte vergifteten Schlamm und machte sich Sorgen um sie. »O Max, ich habe dich gar nicht verdient«, flüsterte sie.
    Die neue Plastikkühlbox, die sie bei Wal-Mart gekauft hatte, glich denen, die von den Chemikern für Feldproben benutzt wurden. Darin lag eine mit Flüssigkeit gefüllte durchsichtige Plastiktüte mit einem Etikett, auf dem offiziell aussehende Nummern mit schwarzem Filzstift notiert waren. Sie umklammerte den Griff der Kühlbox, reckte das Kinn und stürmte die Stufen zum Haupteingang hinauf.
    Mehrere Leute liefen durch die beigefarbene Lobby, doch niemand achtete auf CJ und ihre Kühlbox. Der Wachmann in der Kabine warf einen Blick auf ihren Ausweis und winkte sie wortlos durch das Drehkreuz. Quimicron SA beschäftigte mehrere tausend Leute in der Niederlassung in Baton Rouge, und viele von ihnen trugen die blauen Ausweise der Zeitarbeitnehmer. Sie blieb am Wasserspender stehen, um sich zu beruhigen, und eilte dann hinauf in den fünften Stock. Tatsächlich war das Labor leer und dunkel. Doch die Tür war verschlossen.
    CJ zog ihren Ausweis durch das Kartenlesegerät neben der Tür, aber die Leuchtdiode blieb rot. Sie hätte wissen müssen, dass sie mit ihrem Zeitausweis keinen Zugang erhalten würde. Mehrere Leute kamen über den Flur, also konnte sie dort nicht herumstehen und am Türgriff rütteln. Sie entschied sich für einen gutangezogenen Mann, der wie ein Manager aussah. »Entschuldigung, dieses Labor ist abgeschlossen, und ich habe einen dringenden Abgabetermin. Können Sie es mit Ihrem Ausweis öffnen?«
    Der Mann blickte zuerst sie an und dann die Labortür. Sie musste ihn aus seinen Gedanken gerissen haben, denn er wirkte ein wenig geistesabwesend. Er war in mittleren Jahren, schlank und durchtrainiert, mit nussbraunem Teint und hübschen dunklen Augen. Sein Kinn war einen Tick zu spitz, aber sie mochte sein volles blauschwarzes Haar, das lediglich an den Schläfen silbern schimmerte. Er trug es halblang und hinter die Ohren gekämmt wie ein Dichter.
    »Die Tür sollte offen sein«, log sie. »Ein Mann von der Umweltschutzbehörde ist am Telefon und wartet auf meine Daten. Er droht uns mit einer Geldstrafe.«
    Der Mann las laut ihren Namen auf dem Ausweis. »Carolyn Joan Reilly.«
    Sie hasste den Namen und musste sich auf die Lippen beißen, um es nicht laut zu sagen. Es war der Name ihrer Mutter. Das Personalbüro hatte einen Fehler gemacht, als man das widerliche Ding auf den Ausweis gedruckt hatte. Sie nickte. »Das bin ich. Ich arbeite hier als
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