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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik
Autoren: T.C. Boyle
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an. «Prächtige Zähne», sagte der Salzhändler. Das Pferd war kaum größer als ein Shetlandpony, auf einem Auge blind und so ausgemergelt, wie es steinalte Greise manchmal sind. Offene Geschwüre, grün vor Schmeißfliegen, übersäten die rechte Flanke, und eine gelbliche Flüssigkeit wie dünner Haferbrei tropfte ihm aus der Nase. Am allerschlimmsten war aber wohl, daß das Tier zu senilen Fürzen neigte – gewaltige Gasausbrüche, die die Sonne vom Himmel wischten und die ganze Umwelt zur Senkgrube machten. «Rosinante!» scherzte Johnson. Der Entdeckungsreisende verstand die Anspielung nicht. Er kaufte das Pferd.
    Mungo ritt, Johnson lief. Ohne Zwischenfall passierten sie die Königreiche von Woulli und Bondu, doch als sie nach Kaarta kamen, erfuhren sie, daß der König dieses Landes, Tiggitty Sego, mit dem Nachbarstaat Bambarra Krieg führte. Der Entdeckungsreisende schlug einen Umweg in nördlicher Richtung, durch Ludamar, vor. Zwei Tage nach dem Überschreiten der Grenze wurden sie von dreißig berittenen Mauren aufgehalten. Die Mauren sahenaus, als hätten sie soeben ihre Mütter gekocht und verzehrt. Sie trugen Musketen, Dolche und Krummsäbel   – Krummsäbel so kalt und grausam wie der Halbmond, eine Waffe eher zum Abhacken als zum Stechen: Ein einziger Schlag konnte Arm oder Bein amputieren, Schultern abtrennen, Köpfe spalten. Ihr Anführer, ein Riese mit Kapuzenumhang und einer feingestrichelten Narbe über dem Nasenbein, trottete auf sie zu und spuckte in den Sand. «Ihr kommt mit uns zu Alis Lager nach Benaum», verkündete er. Johnson zerrte den Entdeckungsreisenden an den Gamaschen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Die Pferde scharrten und stampften. Mungo sah zu den grimmigen Gesichtern auf, lächelte und erklärte auf englisch, er nehme die Einladung mit Vergnügen an.

FATIMA
    Ein Junge kommt ins Zelt gestürmt, in der Hand den zweischneidigen Bilbo. Dassoud rollt mit den Augen, Johnson erschauert. Mungo steht mit Mühe auf, zieht sich die Hosen hoch und legt sich den Gürtel um. «Ich würde nur gern wissen, welches Verbrechen wir eigentlich   …», beginnt er. Dassoud schlägt ihn nieder. In diesem Augenblick kommt ein zweiter Junge ins Zelt, der eine Botschaft für Ali bringt. Dassoud wendet sich an seine Gefährten, und ein heftiges Streitgespräch entbrennt. Man reckt den Zeigefinger, fuchtelt mit den Armen, zupft sich am Bart. Von all dem versteht der Entdeckungsreisende nur ein einziges Wort, das wieder und wieder ausgesprochen wird, als wäre es ein Zauberspruch: Fatima, Fatima, Fatima. Während er die Konferenz genau im Auge behält, schlängelt sich seine Hand zu Johnson und zupft ihn an der Toga. «Johnson», flüstert er, «was ist hier los?»
    Johnson macht große Augen. «Psst!» sagt er.
    Gleich darauf erhebt sich Ali. Einauge trägt ihm das Damastkissen nach, Dassoud wirft den Bilbo mürrisch in dieEcke, und alle drei schreiten aus dem Zelt. Der Entdeckungsreisende und sein Führer sind allein mit dem nubischen Wachtposten. Und den Sandflöhen.
    «Ssst, Johnson!» flüstert Mungo. «Was ist denn bloß dieses Fatima, von dem sie die ganze Zeit schnattern?»
    «Krieg ich auch nicht ganz zusammen. Aber egal, was es ist, es raubt einem jedenfalls nicht die Sinne.»

DER TEIG GEHT AUF
    Ned Rise kommt aus der Tür der Ginkneipe geschlendert, bürstet sich die Kleider ab, klopft den eingedellten Hut am Oberschenkel zurecht, als ihn plötzlich ein Schlag auf die Nase flach zu Boden gehen läßt. Als er wie ein geplatzter Luftballon aufs Pflaster sinkt, ist seine Wahrnehmung von Angst, Schmerz und Verwirrung getrübt. Sobald er jedoch einmal unten liegt, bemerkt er den tiefen Mahagoniglanz der Reitstiefel, die sich mit choreographischer Präzision heben und senken, um eine rasche Folge von Tritten in seine besten Körperteile abzugeben. Dann keucht er. Würgt. Kotzt. Die Stiefel gehören zu den flinken Füßen von Daniel Mendoza, Faustkämpfer, Jude, Ex-Boxchampion von London, Freund und Gefährte von George Bryan «Beau» Brummell. Mendoza ist aufs feinste herausgeputzt: gestärkter Leinenkragen, scharlachrote Weste, gestreifte Hosen und Stiefel aus Saffianleder. Ein dandyhafter junger Schnösel von zwölf oder dreizehn Jahren steht neben ihm, über dem Unterarm das blaue Samtjackett wie ein Chefkellner die Serviette.
    Mendozas Gesicht ist rot angelaufen. «Soso!» schreit er. «Chinesische Seide, häh?»
    Unten auf dem Kopfsteinpflaster murmelt Ned eine kombinierte
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