Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Ärger mit den Zimmerleuten für die Bühne. Dann die Reklame. In Ermangelung von Hilfskräften hatte er die Plakate für die Sandwich-Männer selbst gemalt
     
    FÜR DAS BLUT, DAS GELANGWEILT
    VOR LAUTER GEDULT
    Eine Neue Unterhaltung
    In der «Wühlmaus». Heute abend 20.00   Uhr.
    EIN KIZLIGES VERGNÜGEN
    In der «Wühlmaus». Heute abend.
    KOMMT ALLE ZUM BALL DER VOJÖRE
    In der «Wühlmaus». Heute abend 20.00   Uhr.
     
    Dann hatte er Billy Boyles und zwei anderen Taugenichtsen einen Shilling pro Kopf zahlen müssen, damit sie damit vor den Spielsalons und Herrengeschäften auf und ab gingen. Anfragen sollten sie
sotto voce
beantworten und Einzelheiten so zurückhaltend wie möglich preisgeben. Doch so wie er Billy Boyles kannte, würde dieser versoffene Idiot es überall ausquatschen, bis auch der letzte Bulle und Stadtbeamte Wind davon bekommen hatte. Sorgen über Sorgen. Aber das war erst der Anfang gewesen. Den ganzen Nachmittag hindurch, während er Smirke beruhigte und die Zimmerleute antrieb, hatte er Nan und Sally auf der richtigen Stufe von Trunkenheit halten müssen – angetütert genug, um schön vergnügt zu bleiben, aber auch wieder nicht so hinüber, daß sie nicht auftreten konnten. Am meisten Kopfzerbrechen hatte es ihm beschert, Jutta Jim, den pechschwarzen Neger aus dem Kongo, von dessen Herrn/​Dienstgeber Lord Twit anzumieten. Twit hatte drei Guineas verlangt, dazu die feste Zusicherung, daß sein so wertvoller Diener vor dem nächsten Morgen zurückgebracht würde, «mit all seinen süßen Energien intakt». Scheiße. Die ganze Sache – der Ärger, die Anspannung, die langen Stunden des erzwungenen Nüchternbleibens – hat ihn fast kaputtgemacht. Sein Kopf ist eine eiternde Blase, Gin die einzige Medizin.
    Und so steht er dort in dem schummrigen Korridor, nuckelt an der Flasche, träumt und streichelt den wertvollen Wulst zwischen seinen Beinen (zweiunddreißig neue Guineas bis jetzt)   … als er plötzlich gegen die Holzverkleidung gerammt wird. Unter seinem Kinn liegt eine Faust, eiserne Finger schließen sich um seinen Hals. Der Duft von Lavendel, der Ärmel eines Rüschenhemdes. Mendoza.
    «Die Vorstellung hier muß schon verdammt stimillierend sein, Arschloch, sonst brech ich dir Arme und Beine, als ob’s Zündhölzer wären. Ich hab nämlich den lieben Beau mitgebracht, weißte, und wehe, der Gute kriegt von dem, was er hier sieht, keine gute Laune und Erbauung, verstanden?» Die Finger lockern ihren Griff, und das Kinn des Impresarios – im Einvernehmen mit der Schwerkraft des Planeten – kehrt in seine übliche Lage zurück. Ned blinzelt und sieht vorbei an dem Boxchampion, wo ein junger Dandy von siebzehn oder achtzehn ihn spöttisch anstarrt. Der Dandy hat Locken wie ein ondulierter Pudel, seine Augen sind honigfarben. Er trägt so reines Linnen, daß es schimmert. «Laß doch den armen Kacker in Ruhe, Danny», sagt er mit seinem näselnden Winseln. Er hält inne, um eine juwelenbesetzte Schnupfdose aus der Tasche zu zaubern und sich eine Prise auf den Handrücken zu schütten, die er mit einem eleganten Schwung des Kopfes inhaliert. Als er wieder aufsieht, durchschneiden seine Blicke Ned wie Schaschlikspieße. «Für Freunde kostet’s ja wohl keinen Eintritt, oder, Ned?»
    Ned lächelt, bis ihm das Zahnfleisch weh tut. «Nein», sagt er, «kein Eintritt, ist doch klar.»
    Mendoza stößt die Tür auf, und Beau schreitet in den Raum wie ein Schwan, der auf einem Gebirgssee landet. «Schwanzlutscher», murmelt Ned, so leise und so weit hinten in der Kehle, daß er es selbst nicht mal richtig hört. Die Tür knallt wieder zu. Ned zieht den Stein aus der Tasche und sieht darauf. Der Stein ist flach, glatt, fünf Zentimeter im Durchmesser. Auf die Vorderseite ist ein Zifferblatt gemalt. Acht Uhr ist es darauf. Zeit für die Show.
     
    Sally Sebum und Jutta Jim sind auf der Bühne, mitten im Auftritt. Nan Punt steht in einem wollenen Schlafrock neben Ned und wartet auf ihr Stichwort. «Hm-mm-mm-hm», macht Sally. «Uh-aah, aaah! A-aaaaah!» Jutta Jim erhebtsich von ihr, blanker Arsch, pechschwarz und splitternackt, sein Glied steif und glänzend im Licht der Öllampen. Ausgebleichte Knochenspieße ragen ihm aus den Nasenflügeln, die Ohrläppchen sind von Federkielen durchbohrt, verschnörkelte Narben schlingen sich über seinen Oberkörper wie eine Reliefkarte des Mondes. Im Publikum herrscht ehrfürchtige Stille. Er wendet sich der Menge zu, ganz langsam, schweigend,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher