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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik
Autoren: T.C. Boyle
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Entschuldigung, Ableugnung und Bitte um Gnade.
    «Holländische Glanzwolle, zwölf Pence der Meter!» schreit Mendoza. «Und du stinkender Abschaum nimmstBeau sechs Eier dafür ab, für ’ne
Krawatte aus feinste chinesische Seide von orreginal unverfälschter Qualität, direkt von die Webstühle des Orients in Peking
, hast du gesagt gehabt. Na? Was is?»
    In Erwartung des Tritts spannt Ned sich an. Er erhält ihn direkt unter die linke Achselhöhle.
    Mendoza beugt sich nun über ihn, das Messer in der Hand. Sein Begleiter wirkt wie ein Engel Gottes. Es beginnt zu schneien. «Will dich nur eben von dieser Kleinigkeit hier entlasten», sagt Mendoza, indem er die Schnur von Neds Geldbeutel durchtrennt, «als teilweise Entschädigung für den Kummer, wo mein Freund erleiden mußte.» Mendozas Stiefelspitze sucht Neds Milz – ein Organ, von dem er gar nicht wußte, daß er es besaß – dreimal in rascher Folge auf. «Und daß mir das nich noch mal vorkommt, Arschloch. Sonst schlag ich dich zum Krüppel wie damals Turk Nasmyth in der zweiten Runde auf der Bartholomew Fair. Klar?» Man hört das Gleiten von Batist auf Samt, dann das Stakkato sich entfernender Schritte, zwei Paar. Der Schnee fällt herab wie Knochenmehl, und die Luft ist scharf wie die Lanzette eines Aderlassers.
    Ned rappelt sich auf und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. Er grinst. Ihm ist noch vom Gin übel, Nase, Niere, Milz und Achsel tun ihm höllisch weh, er war Opfer eines Raubüberfalls mit tätlichem Angriff, aber er grinst. Bei dem Gedanken an Mendozas Gesichtsausdruck, wenn er den Geldbeutel öffnet und feststellt, daß er ein Viertelkilo Flußsand, zwei Kupferknöpfe und einen Schweinezahn enthält. Er greift sich zwischen die Beine, und sein Grinsen wird noch breiter: die Beute ist sicher. Um seine Genitalien ist ein Streifen Musselinstoff gewickelt, dessen Enden mit Tannenleim an Bauch und Hinterteil festgeklebt sind. Wie in einem Nest liegen dort, warm und kuschelig im weichen Fleisch seiner Eier, zweiundzwanzig goldene Guineas, die Früchte von einer WocheLug und Trug. Ned plant, sie gut anzulegen und ihnen bei der Vermehrung zuzusehen.
     
    In der «Wühlmaus» bestellt sich Ned gebratenen Speck, Lammkoteletts, Weizenpfannkuchen, gekochte Eier, Zunge, Schinken, Toast, Taubenpastete und Orangenmarmelade – «und ein großes Bier zum Runterspülen». Dann schickt er einen Jungen hinaus zu einem der Pfandleiher gegenüber von «White’s Spielsalon», um ihm einen Anzug zu besorgen, «wie er einem Gentleman anstünde», samt Halbschuhen, Krawatte und Zylinder. Der Junge trägt die Füße in Lumpen gewickelt, ihm triefen Augen, Nase und Mund, und der Skorbut hat ihm alle Zähne ausfallen lassen. Ned schenkt ihm eine halbe Crown für seine Mühe.
    Der Wirt der «Wühlmaus» ist ein gewisser Nelson Smirke. Smirke ist ein großer Kerl, er hat Krätze und an den Seiten seines Kopfs ist er kahl, am Scheitel ragt dafür ein verrückter elektrischer Schopf in die Höhe. Insgesamt hat man den Eindruck von Gemüse: am ehesten erinnert er an eine kolossale Runkelrübe. «Ah, Smirke», begrüßt ihn Ned, den Mund voll Taubenpastete. «Hol dir einen Stuhl, mein Freund – ich habe dir einen Vorschlag zu machen.» Smirke setzt sich hin und legt die massigen Hände gefaltet auf den Tisch. «Laß mich gleich zur Sache kommen», sagt Ned. «Ich möchte heute abend das Zockerzimmer mieten, so von acht bis etwa drei oder vier Uhr früh. Ich zahl dir zwei Guineas, wenn du keine Fragen stellst.»
    «Was’n los, ’ne Party oder so?»
    «Stimmt genau. Eine Party.»
    «Nich daß mir wieder alle Kissen zerfetzt werden und einer aufs Porzellan pinkelt, so wie letztesmal, verstehste?»
    «Smirke, Smirke, Smirke», sagt Ned und schnalzt mit der Zunge. «Vertraust du mir etwa nicht? Wir reden hier von einer Zusammenkunft echter Herren.» Ein Wildschweinkopf hängt neben ihm an der Wand. Kohlen glühenauf dem Rost. Ned legt die Gabel beiseite und rammt sich eine Hand in die Hose, schürft dort nach Gold. Er holt einmal tief Luft, reißt sich den Klebstoff (samt Haaren) vom Bauch und wühlt in seinem Schatz.
    «Echte Herrn, daß ich nicht kicher», sagt Smirke. «Ich weiß genau, was für’n Abschaum von Kanaken und Perfersen dich zum Freund haben tut, Ned Rise.»
    Zwei Guinea-Stücke fallen klirrend auf den Tisch, ein süßer Klang. Smirke bedeckt sie mit seiner fetten Faust. Ned sieht dem Wirt in die Augen, dann stopft er sich einen Pfannkuchen in den
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