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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik
Autoren: T.C. Boyle
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schwarz wie Oliven. Und Milton   – Miltons Augen waren wie Blauspechte beim Scharren im Schnee. Dassoud hat keine Ahnung von Shakespeare, Sophokles oder Milton. Seine derben Finger drehen an den Schrauben. Der Entdeckungsreisende grinst. Er merkt nichts. Die Zuschauer sind erschreckt über seine wahnsinnige Gelassenheitund wenden sich in Panik ab. Er kann sie davonrennen hören, das Klatschen ihrer Sandalen auf der versengten Erde   … doch was ist das? – er hat irgendwas im Auge   …

KORREKTIVE CHIRURGIE
    «Halt!»
    Mungo kann überhaupt nichts sehen (die Haube scheint ein Visier zu haben, aber sobald er es anheben will, packt ihn jedesmal eine Hand am Gelenk), dennoch erkennt er die Stimme sofort. Es ist Johnson. Der gute alte Johnson, sein Führer und Dolmetscher, der ihm zur Rettung kommt.
    «Halt!» wiederholt Johnsons Stimme, bevor er sich kopfüber in eine Flut aus arabischen Knack- und Reibelauten stürzt. Dassoud antwortet ihm, dann steuert Einauge in höchsten Tönen eine Kette von Grunz- und Bekräftigungsklängen bei. Johnson widerspricht. Und dann dröhnt Alis Stimme aus der Ecke, scharf und kratzig. Man hört einen Schlag, und Johnson fliegt auf die Matte neben den Entdeckungsreisenden.
    «Mr.   Park», flüstert Johnson, «was machen Sie bloß mit diesem Ding auf dem Kopf? Wissen Sie denn nicht, wozu das da ist?»
    «Johnson, guter alter Johnson. Wie schön, deine Stimme zu hören.»
    «Die wollen Ihnen die Augen ausstechen, Mr.   Park.»
    «Wie bitte?»
    «Der Oberschakal hier findet, Sie haben die Augen einer Katze – und anscheinend kommt das hierzulande nicht so gut an, deswegen sind die jetzt dabei, sie Ihnen auszudrücken. Wenn ich nicht per Zufall interveniert hätte, möchte ich wetten, daß Sie jetzt schon blind wie’n Bettler dastehn würden.»
    Mungos Gedanken klären sich wie ein nebliger Morgen am späten Vormittag. Während dies geschieht, wird er zusehendserregter, bis er schließlich aufspringt, an der Messingkappe herumzerrt und wie ein verirrtes Kalb brüllt. Dassoud schlägt ihn zu Boden. Läßt die Weißschwanzgnu-Peitsche ein- bis zweimal knallen und verlangt dann auf arabisch nach einem weiteren Folterinstrument. Man hört das Trappeln von Füßen, das Klatschen der Zeltbahn und dann, sehr nahe, den Schrei eines Menschen in Todesangst. Der Schrei scheint von Johnson zu kommen. Der Entdeckungsreisende ist beunruhigt und reißt mit neuen Kräften an seiner Haube, wobei er sich so ähnlich fühlt wie ein Zehnjähriger, der mit dem Kopf in einem Eisengeländer eingeklemmt ist. «Johnson», keucht er, «…   was machen sie mit dir?»
    «Bis jetzt noch nichts. Aber eben haben sie einen zweischneidigen Bilbo holen lassen.»
    Endlich löst sich die Klemme, und die Haube hüpft vom Kopf des Entdeckungsreisenden wie der Korken aus einer Flasche Spumante. Er sieht sich blinzelnd um. Ali, Dassoud und Einauge hocken in der anderen Ecke, reden wild gestikulierend aufeinander ein. Der Pöbel ist weg, und der Zelteingang ist zugeklappt. Ein massiger Schwarzer mit Turban und gestreiftem Umhang blockiert ihn, die Arme vor der Brust verschränkt. «Einen Bilbo? Was heißt das?» flüstert Mungo.
    «Heißt, daß wir zwei weise Affen spielen sollen – sieh nichts Böses, und sprich auch keins. Sie finden, ich hätte die Zunge eines Neuntöters. Also wird sie mir rausgeschnitten.»

ALIAS KATUNGA OYO
    Was Johnson angeht: Er gehört zum Stamm der Mandingo, der die Quellgebiete des Gambia und des Senegal bewohnt, außerdem große Teile des Nigertals, bis hinunter zur Stadt der Legende: Timbuktu. SeineMutter gab ihm nicht den Namen Johnson. Sie nannte ihn Katunga   – Katunga Oyo – nach seinem Großvater väterlicherseits. Mit dreizehn wurde Johnson von Hirten aus dem Volk der Fulah gekidnappt, als er gerade in einem Kornfeld nicht weit von seinem Geburtsdorf Dindiku mit einer zarten jungen Nymphe deren Beginn der Geschlechtsreife feierte. Die Nymphe hieß Neali. Aber danach fragten die Fulah nicht. Ihr Häuptling, der sich von Nealis tätowiertem Gesicht und einigen anderen ihrer körperlichen Attribute einnehmen ließ, behielt sie als seine persönliche Konkubine. Johnson wurde an einen
slati
verkauft, einen umherreisenden schwarzen Sklavenhändler, der ihn in Beinschellen legte und zusammen mit zweiundsechzig Leidensgenossen zur Küste trieb. Neunundvierzig schafften es. Dort wurde er einem amerikanischen Sklavenschiffer verkauft, der ihn im Laderaum seines nach South Carolina
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