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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition)
Autoren: BjÖrn Bicker
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der Nase rum: Gaumenspalten. Fetttaschen. Demolierte Fressen. Brandopfer. Schau mal hier, so sieht jemand aus, in dessen Garten eine Streubombe eingeschlagen ist. Ich habe nicht hingesehen. Ich habe seine Hand genommen und sie auf meinen Bauch gelegt und dann habe ich ihn ganz leise gefragt, ob er mir denn helfen werde, wenn ich mal alt und runzlig sei, ob er sich vorstellen könne, mich dann zu operieren. Nur mich. Er schaute an mir vorbei Richtung Becken und stand ruckartig von seiner Liege auf. Was ist denn da los, fragte er. Die Choreografie der alten Körper hatte sich aufgelöst, die bunten Schaumstoffwürste schwammen herrenlos zwischen den anderen Badegästen herum. Die Alten waren im Wasser plötzlich zu einer Traube verklumpt, einige gestikulierten wild in Richtung Beckenrand. Die Trainerin zog hastig ihr T-Shirt aus und sprang ins Wasser. Die Alten öffneten die Traube und gaben die Sicht frei. Sie standen alle um einen ihrer Mitturner herum. Er lag flach auf dem Wasser, gehalten von zwei Männern und einer Frau. Die Frau hielt seinen Kopf in ihren Händen, eine andere verpasste ihm ein paar Ohrfeigen, immer wieder mit der Rechten ins Gesicht. Der Mann reagierte nicht. Die Trainerin, bei den Alten angekommen, beugte sich über den Kopf des reglosen Mannes und rief seinen Namen. Keine Reaktion. Sie schob ein paar Gaffer zur Seite und fasste ihn von hinten mit beiden Händen am Nacken, so wie es Rettungsschwimmer tun. Sie zog ihn zum Rand. Sie drehte den reglosen Körper parallelzur Wasserkante und rief zwei junge Kerle herbei, die ihr helfen sollten, den massigen Alten aus dem Wasser zu hieven. Die jungen Männer zogen ihn an Arm und Bein aus dem Becken, die Trainerin schob von unten nach. Der Mann glitt in eine Pfütze. Er lag da wie ein gestrandeter Wal. Sein melonenförmiger, behaarter Bauch ragte in die Luft, seine kurzen Arme hingen hilflos an ihm runter, Hände und Unterarme in der Wasserlache. Die Beine waren nach innen verdreht. Die Krampfadern an seinen Waden traten bunt schimmernd hervor. Die Trainerin kniete sich hinter ihn und legte seinen Kopf auf ihre Oberschenkel. Einer der Männer rief nach einem Arzt. Ein Arzt! Ist hier irgendwo ein Arzt? Ich gab Holger von hinten einen Schubs. Holger. Du bist gemeint. Du bist Arzt! Er stand da wie versteinert, die Hände vor der Brust verschränkt. Er drehte den Kopf und schaute mich kurz an. Sein Blick war leer. Los, mach schon, rief ich. Er setzte sich in Bewegung. Nach ein paar großen und viel zu hastigen Schritten rutschte er auf dem Schwimmbadboden aus und fiel auf die Knie. Auf allen vieren kauerte er auf halber Strecke und versuchte, sich wieder aufzurichten. Er merkte gar nicht, dass sein rechtes Bein blutete. Eine Platzwunde. In null Komma nichts hatte sich eine rote Lache auf den weißen Kacheln gebildet. Das Blut lief ihm seitlich am Schienbein entlang über den Fuß auf den Boden. Und dann richtete er sich wieder auf. Die Zuschauer standen unfreiwillig Spalier. Holger kniete sich neben den Mann. Ich ging hinterher und stellte mich zu den Zuschauern.Was ist passiert, fragte er die Trainerin. Er war weg, plötzlich war er einfach weg. Was ist das? Herzinfarkt? Schlaganfall? Machen Sie doch was. Holger zitterte. Er versuchte, den Mann anzusprechen. Keine Regung. Das haben wir doch schon alles probiert, sagte eine der Alten. Lassen Sie mich mal machen, zischte Holger nach oben. Erst mal Seitenlage, wies er an. Sie drehten ihn auf die Seite, er und die Trainerin, dabei stützte er den Mann mit seinem verletzten Knie und verschmierte das Blut auf Bauch und Rücken des Bewusstlosen. Als Holger merkte, dass das Blut von ihm stammte, zuckte er zusammen. Es tut nicht weh, sagte er laut, wie um sich selbst zu beruhigen. Woher wissen Sie das, schrie ihn die Trainerin an. Ich meine das Knie, das Knie, mein Knie tut nicht weh. Holger sah sich hilfesuchend um. Unsere Blicke trafen sich kurz. Ich sah, dass Holger verzweifelt war. Wie ein Kind, das sich noch nicht selbst die Schuhe binden kann, aber weiß, dass es mit offenen Schuhbändern nicht loslaufen darf. Mama! Holger griff mit der Hand in den Mund des alten Mannes. Er kramte die Zunge hervor und mit der Zunge kam eine ganze Ladung Kotze raus. Los, schrie er, auf den Rücken drehen. Es geschah, wie er befahl. Holger fing sofort damit an, den Brustkorb des Mannes rhythmisch zu bearbeiten. Immer wieder: Herzmassage. Das Blut, das aus Holgers Wunde lief, mischte sich mit dem Erbrochenen und dem
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