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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn
Autoren: Wiebke Lorenz
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hat sie gar nicht mit so vielen Männern Sex gehabt, erklärt
Gina am frühen Nachmittag im Fernsehen und schaut dabei möglichst jungfräulich
in die Kamera. Weil sie doch insgesamt nur sieben Filme gedreht hat, und alles
in allem würde sie damit auch nicht auf mehr Männer kommen als jede andere
normale Frau. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie viele Beischläfer es in
einem durchschnittlichen Gina-Wild-Porno gibt. Macht ja einen Unterschied, ob
es zwei, fünf oder acht sind. Diese wichtige Information wird dem Zuschauer
allerdings vorenthalten, also schalte ich die Kiste entnervt aus.
    Muß ich mir am Ende so einen Film ausleihen, um dahinter zu kommen,
was Frau Schaffrath unter »normal« versteht? Ich denke nicht, denn
genaugenommen ist mir das relativ egal. Während ich routiniert mein Programm
absolviere (Kerl entsorgen, duschen, anziehen, essen, zum Job radeln) habe ich
eine Idee: Ich werde mir im Copy-Shop ein T-Shirt drucken lassen. Mit der
Aufschrift »Chlamydien«. Vielleicht schicke ich Gina Wild dann auch eins, die
freut sich bestimmt.
    Tim ist seit der Geschichte mit dem Abitreffen besonders nett zu
mir. Nicht, daß er nicht sowieso immer nett ist, aber
momentan bricht er schon in Begeisterung aus, wenn ich nur einen Aschenbecher
leere. »Charly, du bist wirklich die Beste«, erklärt er dann oder: »Eine
Fachkraft wie dich muß man erst mal finden.« Am Tag fünf der Zeitrechnung »nach
der Einladung« gehen mir seine Anerkennungsbekundungen langsam, aber sicher auf
den Zeiger.
    »Hör zu«, stelle ich fest, nachdem Tim mal wieder ein von mir
gezapftes Pils bejubelt hat, »falls du den Eindruck hast, daß ich kurz davor
bin, von der Köhlbrandbrücke zu springen – das ist ein falscher Eindruck.«
    »Wie kommst du auf die Idee?« Tim schnappt sich ein frisch gespültes
Weinglas aus der Maschine unterm Tresen und fängt an, es im Schnellverfahren zu
polieren.
    »Weil du es eben fertiggebracht hast, meine Bierschaumkrone als
›einzigartig‹ und ›grandios‹ zu bezeichnen.«
    »Andere würden sich über so ein Lob von ihrem Chef freuen«, gibt Tim
leicht beleidigt zurück und manövriert das Glas in die Hängevorrichtung über
der Bar.
    »Tim, ich finde das wirklich süß von dir, aber du mußt dir keine
Sorgen um mich machen.« Daß ich ihn nicht ansatzweise als meinen Chef ansehe,
behalte ich für den Augenblick einfach mal für mich. »Klar habe ich mich über diese
blöde Liste kurz geärgert, aber du kannst mir glauben: Die Sache ist mir total
egal. Meine Klassenkameraden sind alles blöde Spießer und Langweiler, und bevor
ich freiwillig einen Abend mit denen verbringe, gehe ich lieber auf ein
Pur-Konzert. Mit den Prinzen als Vorgruppe.«
    »Ich finde die Prinzen ganz gut«, krakeelt Georg von seinem Tisch
aus rüber. Hat seine Nase zwar in der Zeitung, seine Ohren aber offensichtlich
bei uns.
    »Prima«, meine ich, nehme das Tablett und bringe die Bestellung an
ihren Bestimmungsort, »ich sehe uns beide schon mit feuchten Augen und
gezückten Feuerzeugen in der allerersten Reihe stehen.«
    »Oh nee«, winkt Georg ab, »für Rockkonzerte bin ich zu alt. Kann ich
eigentlich noch einen Kaffee haben?«
    »Glaube nicht, daß man das Rockkonzert nennen kann«, mischt Tim sich
jetzt wieder ein. Ich hole derweil die Kaffeekanne für den gewünschten Refill.
    »Für mich läuft so was unter der Kategorie ›Liedermacher-Abend‹«,
stelle ich fest und gieße Georgs Tasse wieder voll. Dabei fällt mein Blick auf
seine aufgeschlagene Zeitung. »Gina Wild: Ich wünsche mir ein Baby!« steht da.
Mit so etwas beschäftigt sich die taz? Bei genauerem Hinsehen fällt mir auf,
daß Georg die taz nur als Umschlag benutzt, in Wahrheit schmökert er gerade in
der Yellow Press.
    »Das wird nix«, meine ich und ziehe mit einer schnellen Bewegung die
taz hinter seinem Revolver-Blatt weg.
    »Was wird nix?« fragt Georg verwirrt und faltet eilig seine Zeitung
zusammen. Als würde er ernsthaft glauben, ich hätte nicht gesehen, was er da
liest!
    »Das mit dem Baby von Gina Wild. Die hat nämlich Chlamydien. Aber
das wirst du ja erst in vier Wochen erfahren.«
    »Gina wer?« wollen Tim und Georg gleichzeitig wissen.
    »Chlamü was?« erklingt eine männliche Stimme hinter mir. Ich fahre
überrascht herum, wobei ich mit einem Schwung den restlichen Kaffee aus der
Kanne über den Besitzer der Stimme kippe.
    Moritz Lichtenberg. Da steht er vor mir und lächelt mich an, während
»Melitta Auslese« vom Schritt seiner
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