Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
Anzughose tröpfelt. »Again«, Janet
Jackson.
    »Ein Glück, daß ich heute keine Termine mehr habe«, sagt er und
wischt sich den Kaffee notdürftig ab.
    »Äh«, erwidere ich äußerst wortgewandt und reiche ihm den
angeschmuddelten Lappen, den ich in der linken Hand halte, »hier.«
    »Danke.« Moritz nimmt ihn, betrachtet ihn kurz und gibt ihn mir dann
wieder zurück. »Denke, das geht auch so.«
    Ich starre ihn weiter fassungslos an, meine Gedanken gleiten ab und
begeben sich auf Zeitreise. Moritz. Meine erste große Liebe. Genaugenommen auch
meine letzte. Und noch dazu der erste Mann, mit dem ich geschlafen habe. Anfang
der zehnten Klasse war das, Moritz saß damals im Englischunterricht neben mir.
Alle Mädels himmelten ihn an, das war schon nicht mehr normal. Aber er wollte
mich. Kurzfristig jedenfalls.
    Es passierte in der ausgebauten Garage seiner Eltern, als ich gerade
mal zarte sechzehn war. Wir gingen heimlich miteinander, weil Herr und Frau
Lichtenberg mich nicht mochten. Dafür gab es drei Gründe: 1. Ich war kein
Akademikerkind, mein Vater war stinknormaler Kaufmann. 2. Ich hatte eine
Ehrenrunde gedreht und war dadurch 3. ein Jahr älter als Moritz. Shocking! Aber
Moritz und mir war das egal, wir waren verliebt, verliebt, verliebt! In mein
Tagebuch von damals schrieb ich allen Ernstes Sätze über Seelen, die sich
berühren und ähnlich Schauderhaftes, das volle Programm. Das kommt davon, wenn
man Jugendliche zuviel Hesse lesen läßt.
    Nachdem sich unsere Seelen drei Wochen lang ausgiebig berührt
hatten, war Moritz der Ansicht, es wäre für unsere Körper langsam Zeit,
selbiges zu tun. »Bis du bereit dafür?« wollte er eines Nachmittags wissen.
Bereit vielleicht nicht – aber neugierig! Also stand ich noch am gleichen Abend
mit zitternden Knien, schweißnassen Händen und einer Heidenangst vor der
Lichtenbergschen Garage, wo Moritz sich ein Musik- und Partyzimmer eingerichtet
hatte.
    Er hatte das ausrangierte Bett, das zwischen einem wummernden
Kühlschrank und einer alten Tischtennisplatte stand, frisch bezogen. Dazu hatte
er mehrere Kerzen angezündet, im Hintergrund dudelte eine Do-it-Yourself-Kuschelrock.
Und mitten auf dem Bett lag eine Packung Kondome. Wir ließen uns auf die
Matratze sinken, und jeder fummelte ungeschickt an dem andern herum, bis wir es
schließlich geschafft hatten, uns gegenseitig unserer Klamotten zu entledigen.
Bei »Halt mich« von Herbert Grönemeyer wurde es dann ernst.
    Ein unvergeßliches Erlebnis! Aber leider nicht, weil es so
unglaublich schön war. Sondern weil mittendrin die Garagentür aufgerissen wurde
und plötzlich ein paar Klassenkameraden auf uns herabblickten. Wenn man mich
nach den zehn peinlichsten Erlebnissen meines Lebens fragt, belegt dieses hier
noch immer die Plätze eins bis fünfundzwanzig. Und bis heute habe ich zu
Herbert Grönemeyer ein ambivalentes Verhältnis.
    Kurze Zeit später wußte die gesamte Schule davon, Moritz und ich
waren das Gesprächsthema Nummer eins. Eigentlich hatten wir ja nichts getan,
was nicht alle anderen auch machten. Nur hatten die anderen dabei keine
Zuschauer.
    Es war nicht einmal das Schlimmste, daß sich alle das Maul
zerrissen. Schlimmer war, daß Moritz nach diesem Abend ganz anders zu mir war
als vorher. Er distanzierte sich – und zwar nicht einmal besonders schleichend
und unauffällig. Er ließ mich fallen wie eine heiße Kartoffel. Von »Halt mich«
war da keine Rede mehr. Schätze, er konnte die Lästereien seiner Freunde nicht
ertragen. Ich glaube sogar, daß seine Eltern ihm damals Druck gemacht haben,
sich mit »so einer« nicht mehr zu treffen. So eine. Was auch immer das heißen
mag, so eine wie ich war jedenfalls nicht die Richtige für Moritz Lichtenberg.
Wenn ich genauer darüber nachdenke, dürfte ich mit diesem Arschloch eigentlich
kein einziges Wort mehr wechseln. Aber die abgeklärte Charly von heute weiß,
daß pubertierende Jungs eben manchmal bescheuert sind. Und außerdem ist das
alles schon so lange her.
    Die Charly von damals hat sich allerdings ganz schön beschissen
gefühlt. Nicht nur, daß ihr erstes Mal ein absolutes Desaster war. Nein, es war
demütigend. Ich konnte nicht begreifen, weshalb Moritz nicht den Mumm hatte, zu
mir zu stehen. Als er dann auch noch ein paar Wochen später mit der blöden
Isabell von der Mark zusammenkam, gab mir das den Rest. Stundenlang beweinte
ich damals meine verlorene Teenager-Liebe. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich
so leergeheult war, daß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher