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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn
Autoren: Wiebke Lorenz
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neben der Bar.
    »Das kommt davon, wenn du immer nur uralte Zeitungen liest«, stellt
er fest. »Das Thema ist doch längst vom Tisch, vor zwei Wochen hat sich ein
Mäzen gefunden.«
    »Ja?« fragt Georg ängstlich.
    »Ja«, bestätigt Tim, »ein Typ vom Kiez mit Privatbrauerei. Köhler
oder so heißt der. So ein verrückter Fan, weiß wohl nicht, wohin mit seinem
Geld.«
    »He!« Ein entrüsteter Aufschrei geht durch die Menge, etwa dreißig
Augenpaare mustern Tim argwöhnisch.
    »Ich meine natürlich: Was Sinnvolleres kann man mit seinem Geld
nicht anfangen, als den besten Fußballclub der Welt zu unterstützen«, fügt Tim
beschwichtigend hinzu. Überall zufriedene Gesichter und zustimmendes Nicken, da
wäre Tim doch fast mit einem Schlag fünfundneunzig Prozent seines
Stammpublikums losgeworden. Georgs Gesichtsfarbe liegt mittlerweile wieder im
normalen Bereich, er atmet erleichtert auf.
    »Da bin ich aber froh.« Er schüttelt sich. »Was für ein
Adrenalinkick!«
    »Hier«, sage ich und lege Georg das Abendblatt von heute hin,
»versuch’s doch mal damit.«
    »Bist du verrückt?« Georg gibt mir die Zeitung zurück. »Um nichts
auf der Welt würde ich diese kleinen, aufregenden Momente missen wollen!« In
der Tat habe ich mich schon mehr als einmal gefragt, ob Georg vielleicht nicht
ganz richtig tickt. Bisher bin ich da allerdings zu keinem abschließenden
Ergebnis gekommen. Bisher.
    Um halb vier morgens haben wir endlich den letzten Gast vor die
Tür gesetzt und die Abrechnung gemacht. Gar nicht schlecht für einen Mittwoch,
trinkgeldtechnisch gesehen ist das Schlampen-Shirt einfach unübertroffen. Fast
soviel wie sonst nur samstags, ich sollte mir noch ein paar von den Dingern
anfertigen lassen!
    Georg sitzt bei Kaffee Nummer siebenundvierzig, als Tim und ich uns
müde auf die beiden Stühle an seinem Tisch sacken lassen, um gemeinsam eine
letzte Zigarette zu rauchen.
    »Was wäre eigentlich«, fragt Georg, sobald wir uns niedergelassen
haben, »wenn sich für St.   Pauli kein Finanzier mehr gefunden hätte?« Tim zuckt
mit den Schultern.
    »Vermutlich würden sie demnächst in der Regionalliga kicken.
Zwangsabstieg nennt man das wohl.«
    »Das meine ich nicht.« Georg legt seine Stirn in Falten, er scheint
über irgend etwas schwer nachzugrübeln. »Was ich damit sagen wollte ist, wie
viel doch von einer einzigen Entscheidung einer einzigen Person abhängt.«
    »Hä?« Ich kann nicht mehr ganz folgen, aber es ist ja auch schon
ziemlich spät. Ich gehe rüber zur Theke und zapfe Tim und mir noch ein Bier.
Klingt fast so, als würde das hier etwas länger dauern.
    »Es ist doch so«, fährt Georg fort, als ich zurückkomme, »daß da
eine ganze Menge Leute mit dranhängen. Wenn der Club kein Geld hat, spielt er
nicht mehr in der Bundesliga. Das bedeutet für die Mannschaft automatisch
weniger Werbeeinnahmen, also weniger Geld, und zu den Spielen kommen natürlich
auch weniger Zuschauer. Was machen dann aber die Fans, die früher immer zu St.
Pauli gegangen sind, statt dessen? Und was hat das wiederum für Auswirkungen?«
Jetzt guckt Tim ähnlich schlau wie ich aus der Wäsche. Aber dann findet er doch
zu seiner gewohnten Schlagfertigkeit zurück.
    »Gott behüte!« entfährt es ihm, und er reißt entsetzt die Augen auf.
»Am Ende gehen die dann alle zum HSV !« HSV - und St.-Pauli-Fans mögen sich ungefähr so gern wie
Klausjürgen und Yvonne Wussow. Georg quittiert Tims Ausruf mit einem
beleidigten Grunzen.
    »Ich sehe schon, ihr versteht mich nicht.«
    »Nö«, gebe ich ihm recht, »aber das Schöne daran ist ja: Das macht
überhaupt nichts, wir lieben dich trotzdem!«
    »Ts, ts, ts, kein Respekt mehr vor dem Alter!« stellt Georg fest und
schlürft aus seiner Kaffeetasse. »Dann sage ich eben gar nichts mehr.«
    »Jetzt mal was ganz anderes«, wechselt Tim unbeeindruckt das Thema,
»was ist denn eigentlich mit dem Brief?« Erwartungsvoll guckt er mich an, und
auch Georg fällt es nicht leicht, seine betont desinteressierte Miene
beizubehalten.
    »Was für ein Brief?« Ungelogen, im ersten Moment habe ich
tatsächlich nicht die geringste Ahnung, wovon Tim spricht.
    »Na, das Dokument, das du an deinem Hintern trägst.« Tim deutet mit
einer Hand auf den Umschlag, der halb aus meiner Gesäßtasche guckt.
    »Ach so, den meinst du!« Ich bin zu müde
fürs Tim-Ärgern, also nehme ich den Brief und schlitze ihn mit Georgs
Kaffeelöffel auf. Zum Vorschein kommen mehrere DIN  A 4-Blätter.
    »Sieh mal einer
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