Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
steht er auf, aber ich halte ihn
zurück.
    »Warum bin ich so?« frage ich ihn.
    »So was?« Er setzt sich wieder hin.
    »Na, so, wie ich bin. Unmöglich. Peinlich.« Tim guckt mich
überrascht an.
    »Du bist doch nicht unmöglich oder peinlich!«
    »Nein? Hast du meinen Auftritt in der Mood Lounge eben nicht
gesehen? Das findest du nicht peinlich?«
    Tim lacht. »Nö«, antwortet er. Dann überlegt er einen Moment. »Na
ja, vielleicht ein ganz kleines bißchen peinlich. Aber eigentlich auch ganz
lustig.«
    »Lustig, ha!« Ich mache eine ausholende Handbewegung und fege dabei
aus Versehen das leere Glas von meinem Nachttisch. Tim beugt sich schnell vor
und fängt es auf, dann stellt er es außerhalb meiner Reichweite wieder ab. »Ja,
das war lustig! Alle haben sich über mich lustig gemacht!« Ich schluchze auf,
jetzt kommt das typische Besoffenen-Heulen. »Ausgelacht haben sie mich, weil
ich so klein und mickrig und jämmerlich bin.« Tim rückt ein Stückchen näher und
nimmt mich in den Arm, wie ein kleines Kind heule ich an seiner Schulter.
    »Das stimmt doch gar nicht«, sagt er tröstend, »du bist alles andere
als klein, mickrig und jämmerlich. Du bist großartig!« Ich rücke ein Stück von
ihm ab, wische mir die Tränen aus den Augen und sehe ihn verwundert an.
    »Großartig?«
    »Ja«, wiederholt Tim, »ich finde dich großartig. Du bist witzig und
schlagfertig und irgendwie so, so …« Er sucht nach den richtigen Worten. »So
voller Leben bist du. Die komischen Pappnasen aus deinem Jahrgang, die wissen
doch gar nicht, was das heißt: Leben. Die haben doch noch nichts riskiert, sind
noch nie auch nur einen Millimeter zu weit rechts oder links vom Weg gegangen.
Laß diese Idioten doch reden, was interessiert es dich?«
    »Ach was«, wische ich seinen Vortrag trotzig aus der Luft. »Ich bin
überhaupt nicht großartig. Eine Schlampe bin ich, mehr nicht. Eine nutzlose
Schlampe.«
    Tims Gesicht verfinstert sich. »Mann, Charly!« Er springt auf und
tigert unruhig durchs Zimmer. »Hör endlich auf, über dich selbst so zu denken!
Und du brauchst mir gegenüber auch nicht so rotzig zu tun. Ich weiß doch, daß
du dich in Wirklichkeit schlecht fühlst, wenn du dein Schlampen-T-Shirt
anziehst! Und daß du nur mit irgendwelchen komischen Typen ins Bett gehst, weil
du glaubst, daß du dich dann besser fühlst.«
    »So?« erwidere ich sarkastisch. »Das weißt du also?« Mit
verschränkten Armen gucke ich ihn feindselig an. »Ist ja interessant.«
    »Ich kenne dich besser, als du denkst. Ich weiß, warum du das alles
machst! Nur weil dir mit sechzehn mal irgendein Idiot das Herz gebrochen hat
und du glaubst, daß du nichts wert bist!« Er haut seine Faust gegen die Wand.
»Und was machst du? Du vergißt den Typen nicht einfach und entsorgst ihn dahin,
wohin er hingehört: in den Sondermüll nutzloser Erinnerungen. Nein, du gibst
dir das Ganze noch mal, denkst, daß sich dann irgend etwas ändert. Aber versteh
doch endlich mal: Nicht du bist das Problem! Solche
Typen wie Moritz sind das Problem!«
    Tim setzt sich wieder aufs Bett, direkt vor meine Nase. »Lern doch
endlich mal, dich selbst zu mögen. Du mußt begreifen, daß du ein liebenswerter
Mensch bist.« Bei diesen Worten sieht er mich lange an, fast habe ich den
Eindruck, das Bild würde leicht flimmern. Wie in Zeitlupe beugt Tim sich zu mir
vor, nimmt meinen Kopf in seine Hände und küßt mich. Schätze, ich bin in diesem
Moment viel zu
    a) überrascht,
    b) betrunken und
    c) angeschlagen,
    um mich zu wehren. Als er aufhört, mich zu küssen, sich
zurücklehnt und mich unsicher ansieht, scheint bei mir irgend etwas
auszusetzen. Jedenfalls kommt es bei meinem Leinwand-Ich zu einer erstaunlichen
Reaktion: Es fängt an zu lachen.
    »Ich glaube es nicht!« amüsiert sich die Charly, für die ich in
diesem Augenblick wirklich nichts kann. »Tim, was ist denn los mit dir? Du bist
doch nicht etwa verknallt in mich?«
    »Charly, ich …«
    »Ach, laß mal«, schneide ich ihm das Wort ab, »das wäre doch eine
tolle Kombination: Der Aussteiger und die Niete, da könnte man glatt Romane
draus machen!« Ich fange wieder an, hysterisch zu lachen. Und während ich mir
dabei zusehe, wie ich ein fröhliches Husarentänzchen auf Tims Gefühlen
veranstalte, sinke ich immer tiefer in meinen Ledersessel. Was war da nur in
mich gefahren? Ich muß ja mehr als besoffen gewesen sein! Oder waren es Tims
Worte, die mich so sehr getroffen haben? Weil sie – so wahr sind?
    Am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher