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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn
Autoren: Wiebke Lorenz
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raus. Mama und Papa nicken.
    »Der Junge hieß Moritz, oder?« fragt mein Papa. Da bin ich platt.
Hätte nicht gedacht, daß mein Vater sich so etwas gemerkt hat. Nicht einmal,
daß er es überhaupt je gewußt hat. Als Tochter neigt man wohl dazu, den eigenen
Vater zu unterschätzen, wenn es um die eigenen amourösen Verwicklungen geht.
    »Genau.« Verdammt, ist das schwierig. »Jedenfalls ist mir etwas ganz
Verrücktes passiert.«
    »Kind!« Meine Mutter greift nach meiner Hand. »Wenn du schwanger
bist, ist das überhaupt kein Problem, deswegen mußt du dir keine Sorgen
machen.« Mein Vater nickt bekräftigend, obwohl es ihm sichtlich schwerfällt.
Auch wenn er sich gut einen Namen merken kann – der Gedanke, daß seine Tochter mit
irgendeinem dahergelaufenen Namen Sex haben könnte, paßt wahrscheinlich keinem
Vater. Wahrscheinlich muß es nicht mal ein dahergelaufener Name sein, ein
stinknormaler Name reicht schon.
    »Ich bin nicht schwanger«, sage ich. Mein Vater atmet erleichtert auf.
Meine Mutter guckt etwas enttäuscht. Ob sie im Geiste gerade schon niedliche
kleine Kindersöckchen gestrickt hat? »Aber ob ihr’s glaubt oder nicht: Ich war
verheiratet.«
    »Was?«
    »Nein, nicht so richtig«, füge ich schnell hinzu, »nur im Traum.«
Papa fängt jetzt richtig an zu grinsen, Mama sieht noch enttäuschter aus.
»Jetzt guck doch nicht so!« fahre ich sie an.
    »Wie guck ich denn?«
    »Enttäuscht.«
    »Unsinn!« Meine Mutter macht eine wegwerfende Handbewegung. »Ich
frage mich nur, was der ganze Zirkus hier soll.« Stimmt. Sie guckt gar nicht
enttäuscht. Eher ungeduldig bis genervt. Aber wahrscheinlich erwarte ich bei
meinen Eltern, daß sie enttäuscht sind. Gleich jedenfalls, und deswegen sehen
sie für mich eben schon so aus, und …
    »Der Zirkus«, unterbreche ich mein Kopfkarussell, »soll folgendes:
In den letzten Tagen ist mir eine ganze Menge klargeworden.« Mama und Papa
nicken, sonst sagen sie nichts. Also mache ich weiter. »Und zwar ist mir
klargeworden … daß ich euch nicht länger anlügen will. Ihr wißt nämlich gar
nicht, wer ich wirklich bin … Ich will aber, daß ihr das wißt.« Sie
unterbrechen mich nicht, lassen mich einfach weiterreden. »Die Sache ist
nämlich die: BWL studiere ich schon lange nicht
mehr, hat mir irgendwie keinen Spaß gemacht, und da hab ich’s hingeschmissen.«
Totenstille. Leben die noch? »Ich kellnere schon ein paar Jahre in einer netten
Kneipe in Ottensen«, fahre ich fort. »Ich weiß ja, ist nix Dolles, aber mir
macht es Spaß. Und davon leben kann ich auch ganz gut.« So, alles ist raus. Ich
kann nicht mehr. Meine Eltern starren mich immer noch wortlos an. Aber egal,
was jetzt kommt, ich bin froh, daß ich es gesagt habe. Das bin ich, und ich
will mich nicht mehr verstecken, auch nicht vor meinen Eltern.
    Ehe ich begreife, was überhaupt los ist, brechen meine Eltern in
lautes Gelächter aus. Sie lachen und lachen, kriegen sich gar nicht mehr ein.
    »Was ist denn los mit euch?« rufe ich, als sie sich nach ein paar
Minuten immer noch nicht beruhigen wollen.
    »Tut uns leid.« Langsam fängt meine Mutter sich wieder. »Aber es ist
einfach zu süß, wie du da mit finsterer Miene vor uns sitzt und uns Dinge
erzählst, die wir schon seit Jahren wissen.« Wie bitte? Was hat sie gerade
gesagt?
    »Ja, Schatz«, sagt mein Vater jetzt, »du mußt uns schon für ziemlich
blöd halten, wenn du glaubst, wir wüßten nicht, was du so treibst. Wir sind
doch deine Eltern.« Ich bin sprachlos. Komplett und total sprachlos. Volume
off, sozusagen.
    »Ihr wißt, daß ich nicht mehr studiere?« Beide nicken. »Und warum
habt ihr dann nie was gesagt?«
    »Weil wir wollten, daß du es uns selbst erzählst. Wenn du so weit
bist.«
    »Und ihr seid jetzt nicht enttäuscht von mir?« Mama schüttelt den
Kopf, Papa wiegt ihn nur leicht hin und her.
    »Klar hätten wir es gern gesehen, wenn du eine tolle Karriere
hingelegt hättest«, fängt er an.
    »Aber«, wird er von meiner Mutter unterbrochen, die ihm einen
mahnenden Seitenblick zuwirft, »unterm Strich ist es doch so: Du bist wirklich
alt genug, um dein eigenes Leben zu leben. Dein Leben. Und außer dir muß niemand dieses Leben leben.« Verdammt, da hat sie
recht. Bis auf ein Wort vielleicht.
    » Darf es leben«, sage ich und grinse. Dann
tue ich etwas, was ich das letzte Mal mit zwölf oder dreizehn gemacht habe: Ich
springe auf und nehme beide so fest in den Arm, wie ich nur kann. Und
währenddessen frage ich mich,
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