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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn
Autoren: Wiebke Lorenz
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warum ich meine Eltern in all den Jahren so
falsch eingeschätzt habe. Eigentlich hätte mir doch klar sein müssen, daß die
beiden extrem lässig sind. Wie wären sie sonst an eine Tochter wie mich
gekommen?
    Nachdem ich meine große »Beichte« losgeworden bin, bringen sie mich
zur Tür.
    »Laß dich doch öfter mal blicken«, bittet meine Mutter. »Außerdem
können wir dich dann ja endlich mal in deiner Kneipe besuchen kommen. Oder sind
wir zu alt dafür?«
    »Nein«, sage ich, »da sitzen ganz gern mal seltsame alte Leute rum.«
    »He!« erwidert meine Mutter gespielt empört und lacht.
    »Ich muß dann jetzt los.« Ich mache meine Jacke zu und lege meinen
Rucksack an.
    »Und du bist ganz sicher, daß du nicht schwanger bist?« Mein Vater
sieht mich ernst an, so ganz glaubt er offensichtlich immer noch nicht, daß das
schon alles war.
    »Ganz sicher, Papi«, antworte ich und klopfe ihm beruhigend auf die
Schulter.
    »Und was ist jetzt mit diesem Moritz, mit dem du im Traum
verheiratet warst?« Er spricht das Wort »Traum« so aus, als würde er davon
ausgehen, daß es nicht wirklich ein Traum war. Womit er ja recht hat, aber bis
ich den beiden das erklärt habe … Das lasse ich lieber.
    »Den«, sage ich, »kannst du getrost von der Liste der Namen, die es
sich zu merken lohnt, streichen.«
    »Das war mir schon früher klar«, mischt sich jetzt meine Mutter ein.
»So einer ist nichts für unsere Charlotta.« So einer. Lustig. Das habe ich
sonst immer nur gehört, wenn jemand über mich gesprochen hat.
    »Es gibt eben Männer«, erkläre ich, während ich die Treppen zu
meinem Fahrrad runterhüpfe, »mit denen kann man Spaß haben. Die kann man dann
wahrscheinlich auch heiraten. Und dann gibt es noch solche, mit denen keins von
beiden geht.«
    Als ich wieder losradele, ist mir klar, daß meine Eltern mir etwas
verwirrt nachsehen. Aber das macht nichts, sie müssen das nicht verstehen.
Hauptsache, ich verstehe es.
    Um kurz vor zwölf klingele ich bei »so einem« an der Tür. Eins
muß man sagen: Das Haus am Strand ist wirklich wunderschön, um das wird’s mir echt
mehr als leid tun. Aber wer weiß: Eines Tages passiert vielleicht doch noch ein
Wunder, und ich kann mir auch so eine kleine Villa leisten, ohne daß ich darin
mit Moritz Lichtenberg oder einem anderen Idioten leben muß. Ich klingele noch
einmal, aber niemand öffnet. Blöd. Jetzt bin ich völlig umsonst
hierhergestrampelt. Ich will schon wieder zu meinem Rad zurückgehen, als ich
Gelächter höre. Es kommt aus dem hinteren Garten. Leise pirsche ich mich ums
Haus herum und luge vorsichtig um die Ecke.
    Ein Bild der Eintracht und des Friedens: Moritz, Isa und ihre beiden
Eltern sitzen am Frühstückstisch und lassen die Champagner-Gläser klirren.
    »Auf eure Verlobung«, sagt Isas Vater in diesem Moment. Ich hole
tief Luft, wappne mich für meinen Auftritt. Gleich werde ich um die Ecke
preschen und Moritz vor versammelter Mannschaft klar und deutlich sagen, was
ich von ihm halte. Daß er ein Mensch ohne Rückgrat ist. Und daß er es immer
bleiben wird. Er und Isa haben sich echt verdient!
    »Auch beruflich sind wir dann ja bald eine Familie«, stellt Isas
Vater gerade fest und lacht dröhnend, während er den Arm väterlich um Moritz
legt, der neben ihm fast klein und mickrig wirkt.
    Ich beobachte die Szene und spüre – nichts. Es ist mir total egal.
Ob die da in ihrem Garten sitzen und sich gegenseitig auf die Schulter klopfen
oder nicht, was kümmert mich das? Kopfschüttelnd gehe ich zu meinem Fahrrad
zurück. Wozu hier noch eine Szene machen? Moritz Lichtenberg und Co. werden in
meinem weiteren Leben keine Rolle mehr spielen. Sollen sie doch von mir aus
glücklich werden.
    Ein anderes Gespräch muß ich allerdings führen. Und davor habe
ich richtig Muffe. Mein Gang nach Canossa. Wieder zu Hause klingele ich bei
Julie. Pech: Sie ist da und öffnet mir, es gibt also keine Gnadenfrist für mich.
    »Hallo, Julie«, sage ich und rechne eigentlich damit, daß sie mir
sofort und ohne Umschweife die Tür vor der Nase zuknallt. Macht sie aber nicht.
    »Was willst du?« fragt sie statt dessen. Zwar unfreundlich, aber
immerhin.
    »Mit dir reden.«
    »Ich habe dir doch gesagt, daß ich nichts mehr mit dir zu tun haben
will.« Jetzt geht die Tür doch zu, todesmutig stelle ich meinen Fuß dazwischen.
    »Bitte!« Ich drücke mit einer Hand sanft gegen die Tür, so daß sie
wieder ein Stück aufgeht. Julie macht einen etwas überrumpelten
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