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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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überraschend deutlich verloren, vielleicht war auch das der Grund, warum ich ihm ein paar Schläge mehr wünschte.
    Durch das gekippte Fenster schwappte ein wenig Feierabendlärm in die Küche, die Stadt roch nach Anis und alten Menschen. Vom Fenster konnte ich bis zum Fluss sehen. Ein Stückchen nur, genaugenommen nicht mehr als ein paar Meter der gegenüberliegenden Uferlinie, Meter, die zudem mit einem still vor sich hin rostenden Frachtkahn zugestellt waren. Dennoch war ich davon überzeugt, dass mein Flussblick etwas Besonderes war, und auch wenn ich im Laufe der Jahre niemanden erkennbar damit beeindruckt hatte, wurde ich nicht müde, ihn in Gesprächen zu erwähnen.
    Im Grunde konnte ich mir die Wohnung nach meinem Rauswurf bei Walter & Kremer nicht mehr leisten. Gewiss, ich hatte noch ein paar Monate Abfindung vor mir, aber ich kannte mich und meine gelegentliche Lethargie, und ich kannte die Zeit, die acht Monate schneller auffressen konnte als ein Schwarm Piranhas ein angekratztes Bein. Keineswegs hatte ich mir diesen Zustand erträumt, aber nun, da ich mich in ihm befand, schien er mir auch nicht schlechter als andere, die ich in meinem Leben durchlaufen hatte. Das zumindest trug ich mir bisweilen in Gedanken vor, insbesondere dann, wenn Sonja neben mir lag. Sonja schien diese Gedanken zu erraten. Mehr als einmal sagte sie Dinge wie «auch nicht schlecht, so ein Leben» oder «ausschlafen wie Epkes», auf die ich vorsichtshalber mürrisch reagierte. «Ach, du wieder», sagte sie dann und lachte, und weiter sprachen wir nicht darüber.
    Sonja bestand nach wie vor auf unserer Trennung und brüstete sich, dass sie in der Zwischenzeit zu einer Art Sex-Maniac mutiert sei, dabei hatte sie, wenn ich sie richtig verstand, nur einen weiteren Mann, mit dem sie sich gelegentlich traf.
    «Und du», fragte sie, «wie sieht’s bei dir aus?»
    «Zwei, drei», erwiderte ich, «nichts Ernstes», und ich sah, wie sich Sonjas Gesicht verfinsterte.
    «Lass das», sagte sie, «das ist nicht lustig.»
    «Manchmal», sagte ich, «komme ich schon mit den Namen durcheinander. Sinja, Sonja, Ronja, Dunja, morgen treffe ich eine Svenja.»
    Sonja rollte ihren fülligen Körper von mir weg und sah mich an.
    «Ich glaube dir kein Wort.»
    Eine Weile erwiderte ich ihren Blick, dann schloss ich die Augen. Ich tat, als träumte ich ein wenig von Sinja, Ronja oder Dunja, und hörte, wie Sonja ihre Decke zur Seite schob und sich aufsetzte, kurz darauf, wie sie den BH am Rücken schloss.
    «Lass dich überraschen», sagte sie, «aber viel würde ich an deiner Stelle nicht darauf wetten, dass ich hier noch einmal auftauche.»
    Ich öffnete die Augen und erkannte an jeder von Sonjas Bewegungen, wie aufgebracht sie war. So recht war mir nicht klar, womit ich sie derart in Rage gebracht hatte. Mein Witz war vielleicht ein wenig müde gewesen, aber dass sie ihn für bare Münze nahm, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Vielleicht, so dachte ich, waren es die Namen, die ich erfunden hatte. Sonja hasste ihren Vornamen, den angeblich sonst nur Kühe oder Ponys trugen. Gut möglich, dass sie glaubte, ich habe sie mit ihrer Sonja-Phobie auf die Schippe nehmen wollen, ein Gedanke, der zugegebenermaßen nicht ganz abwegig war.
    Sonja ging und meldete sich eine Weile nicht mehr bei mir. Ich begann sie zu vermissen, oder ich begann, den Sex mit ihr zu vermissen, der mir wichtiger geworden war, seitdem sie sich von mir getrennt hatte. Früher hatte er eine gewisse Folgerichtigkeit gehabt und war einfach Teil unseres Zusammenseins gewesen. Jetzt, da wir nichts anderes mehr miteinander teilten, hatte er in meinen Gedanken eine bizarre Größe eingenommen. Dabei hatte sich unser Sex unter den neuen Gegebenheiten eigenartig verwandelt. Er war roher und gleichzeitig kraftloser geworden. Sonja flüsterte mir obszöne Dinge ins Ohr, die sie früher nie gesagt hätte und die mir auch jetzt nicht zu ihr zu passen schienen. Ich wiederum versuchte, Sonja so mit meinem Körper zu bearbeiten, dass ich sie während des Aktes ganz unter meiner Kontrolle hatte. Auch das passte nicht. Wir vermieden es, darüber zu sprechen, aber ich war mir sicher, dass uns bisweilen beiden danach war, einfach mittendrin aufzuhören. Aufzuhören und schweigend nebeneinander zu liegen, vielleicht sogar dabei einzuschlafen, etwas, das wir uns gänzlich abgewöhnt hatten. Vermutlich, weil wir uns der Intimität des gemeinsamen Aufwachens nicht mehr aussetzen wollten, wollten
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