Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah
Autoren: Stef Penney
Vom Netzwerk:
vielleicht war sie jeden Tag hier. Sie spricht ziemlich laut. Dabei bin ich nicht taub. Ich will es ihr sagen, aber es kommt nichts Verständliches heraus.
    »… und auch keine Anzeichen eines Tumors. Wir wissen noch nicht, was die Lähmung verursacht hat. Aber es wird besser, stimmt’s? Sie haben heute ein bisschen mehr Kontrolle über Ihren Körper, oder? Noch nichts im rechten Arm? Gar nichts?«
    Ich nicke und sage ja und nein.
    »Die Aufnahmen zeigen keine Anzeichen für eine Schädigung des Gehirns, das ist super. Wir warten noch auf die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung. Sie scheinen irgendein Neurotoxin im Körper zu haben. Es könnte eine Überdosis Drogensein. Nehmen Sie Drogen, Ray? Vielleicht haben Sie auch etwas Giftiges gegessen. Beispielsweise wilde Pilze … haben Sie Pilze gegessen? Oder Beeren? Etwas in der Art?«
    Ich versuche, mich zu erinnern, zu den verräterischen Bildern zurückzukehren, die mir entgleiten. Ich habe etwas gegessen, aber ich glaube nicht, dass Pilze dabei waren. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch nichts mit Drogen zu tun hat. Jedenfalls habe ich sie nicht absichtlich genommen.
    »Glaube nicht.«
    Es klingt eher wie: Aue … nch.
    »Haben Sie heute Morgen etwas Ungewöhnliches gesehen? Können Sie sich erinnern? War der Hund wieder da?«
    Der Hund? Habe ich darüber gesprochen? Ich bin mir sicher, dass ich sie nie als Hund bezeichnet habe.
    Der Name auf dem Schild, das sie an ihrem weißen Kittel trägt, beginnt mit einem Z. Ihr Akzent ist laut und deutlich – osteuropäisch, würde ich sagen. Aber sie und ihr Klemmbrett verschwinden, bevor ich die Ansammlung von Konsonanten entziffert habe.
    Ich denke über Hirnschäden nach. Während ich hier so liege, habe ich viel Zeit zum Nachdenken – etwas anderes kann ich ja nicht machen. Es wird dunkel und wieder hell. Meine Augen brennen vom Schlafmangel, aber wenn ich sie schließe, sehe ich Dinge, die auf mich zukriechen, sich aus den Winkeln hervorstehlen, knapp außerhalb meines Gesichtsfeldes lauern, so dass ich eigentlich dankbar bin, wenn mich etwas wach hält. Sobald ich meine Muskeln auch nur ein bisschen anstrenge, keuche ich vor Erschöpfung; mein rechter Arm ist taub und nutzlos.
    Durchs Fenster sehe ich Sonnenlicht auf den Blättern eines Kirschbaums. Ich befinde mich also in einem der oberen Stockwerke. Aber ich weiß nicht, in welchem Krankenhaus ich bin oder wie lange ich schon hier liege. Draußen, wo der Kirschbaum steht, ist es heiß, herrscht eine schwere, atemloseTrägheit. Nach dem vielen Regen muss es draußen tropisch sein. Hier drinnen ist es auch heiß; so heiß, dass sie schließlich nachgeben und die Heizung ausschalten.
    Meine Laune war schon mal besser. Ich komme mir vor, als hätte man mich abrupt ins Greisenalter katapultiert – matschiges Essen, von Fremden gewaschen und mit lauter Stimme in kurzen Sätzen angesprochen werden. Das macht keinen Spaß. Andererseits macht es auch keine Arbeit.
    Wieder jemand: ein anderes Gesicht über mir. Dieses erkenne ich eindeutig. Weiches blondes Haar, das ihm in die Stirn fällt.
    »Ray … Ray … Ray?«
    Eine Stimme, die nach teurer Ausbildung klingt. Mein Geschäftspartner. Ich weiß nicht, wie es kam, dass ich hier bin, aber ich kenne Hen und weiß, dass er ein schlechtes Gewissen hat. Ich weiß auch, dass es nicht seine Schuld ist.
    Grunzend versuche ich, ihn zu begrüßen.
    »Wie geht es dir? Du siehst viel besser aus als gestern. Weißt du, dass ich gestern hier war? Schon gut, du brauchst nichts zu sagen. Du sollst wissen, dass wir alle an dich denken. Charlie hat dir eine Karte gebastelt, schau mal …«
    Er hält ein gefaltetes gelbes Blatt mit einer Kinderzeichnung hoch. Schwer zu sagen, was sie darstellen soll.
    »Das bist du im Bett. Das hier soll wohl ein Thermometer sein. Sieh nur, du trägst eine Krone …«
    Ich glaube ihm das einfach mal. Er lächelt zärtlich und stellt die Karte auf den Nachttisch, neben den Plastikbecher mit Wasser und die Tücher, mit denen sie mir den Sabber abwischen.
    Ich stelle fest, dass ich allmählich wieder sprechen kann – wenn auch zuerst nur in lallenden, abgehackten Sätzen. Meine Zunge stolpert über sich selbst. Was das angeht, habe ich etwas mit meinem Bettnachbarn gemein, Mike, einem leutseligen obdachlosen Trinker, der mal in der französischen Fremdenlegion war.Wir geben ein schönes Paar ab – beide teilweise gelähmt und mit der Neigung, mitten in der Nacht loszuschreien.
    Er hat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher