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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah
Autoren: Stef Penney
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ihr nachspioniert. Was ja auch stimmt. Das ist ein Vertrauensbruch.«
    »Aber sie betrügt Sie.«
    »Ich komme mir vor wie ein schlechter Mensch.«
    »Sie sind kein schlechter Mensch. Ihre Frau ist im Unrecht. Aber wenn Sie mit ihr reden, besteht durchaus die Chance, alles in Ordnung zu bringen. Sie müssen herausfinden, was hinter der Affäre steckt.«
    Ich redete ohne Sinn und Verstand, aber ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Ich machte das schließlich nicht zum ersten Mal.
    »Vielleicht haben Sie recht.«
    »Es ist einen Versuch wert, oder?«
    Er wischte sich Nase und Augen mit einem schmutzig aussehenden Taschentuch ab. Sein Gesicht wirkte zugrunde gerichtet.
    Gestern rief Mr M. an, um mir zu sagen, dass er mit seiner Frau gesprochen hatte. Zuerst hatte er ihr die Fotos nicht gezeigt, worauf sie die Affäre rundweg abstritt. Dann holte er sie hervor, und sie schrie ihn mit dem boshaften Zorn einer in die Enge getriebenen Ehebrecherin an. Ich habe festgestellt, dass Ehebrecher gewöhnlich ihrem Partner die Schuld geben. Nun wollte seine Frau die Scheidung. Er weinte wieder. Was konnte ich sagen? Er gab nicht mir oder ihr die Schuld, sondern sich selbst. Letztlich erklärte ich, dass es auf lange Sicht besser für ihn sei; wenn seine Frau jetzt die Scheidung wolle, habe sie sie auch schon gewollt, bevor er mit ihr gesprochen hatte. Zumindest zog ich die Geschichte nicht in die Länge, um ihm noch mehr Geld abzuknöpfen; es gibt skrupellose Privatdetektive, die so etwas tun. Fälle wie dieser, und sie machen den Großteil unserer Arbeit aus, können einem ganz schön an die Nieren gehen, wenn man das zulässt.
    Der Tag heute ist grau und unscheinbar. Es ist fast fünf, und wir sitzen in unserem Büro über dem Schreibwarenladen in der Kingston Road. Ich schicke unsere Bürokraft Andrea nach Hause. Wir haben ohnehin seit Stunden die Zeit totgeschlagen. Hen ist irgendwo unterwegs. Durch das doppeltverglaste Fenster mit der doppelten Schmutzschicht sehe ich ein Flugzeug aus den Wolken auftauchen, das sich unheimlich langsam herabsenkt. Ich habe zu viel Kaffee getrunken, das merke ich an dem sauren Geschmack im Mund. Ich will gerade Schluss machen, als ein Mann ins Büro kommt. Um die sechzig, mit grauem Haar, das über den Ohren zurückgekämmt ist, gebeugten Schultern und Tränensäcken unter den dunklen Augen. Ich erkenne es sofort, als ich ihn sehe: ein gewisses Etwas, das man schwer in Worte fassen kann, aber wenn man es kennt, kennt man es. Er hat dieFäuste in die Hosentaschen gesteckt. Als er die rechte Hand herauszieht und mir entgegenstreckt, sehe ich zusammengerollte neue Geldscheine – er stellt sie absichtlich zur Schau. Vermutlich hatte er bei den Rennen einen guten Tag – Sandown Park ist keine dreißig Minuten von hier entfernt. Er hat nicht diesen nervösen, unruhigen Blick, mit dem die meisten Leute eine Detektei betreten. Er wirkt selbstsicher und gelassen und betritt mein Büro, als würde es ihm gehören.
    »Hab Ihren Namen gelesen«, sagt er, nachdem er meine Hand fast zerdrückt hat. Er lächelt nicht. »Darum bin ich hier.«
    Auch das ist nicht die übliche Begrüßung. Die meisten Leute interessiert es nicht, wer man ist oder wie man heißt – in meinem Fall Ray Lovell. Sie haben einen in den Gelben Seiten unter Privatdetektive (vertraulich, effizient, diskret) gefunden und hoffen einfach, dass man alles wieder ins Lot bringt.
    Wir haben ein Formular mit Durchschlag – gelb und weiß –, das Andrea die Leute beim ersten Besuch ausfüllen lässt. Es geht um die üblichen Angaben und den Grund ihres Kommens, wie sie von uns gehört haben, wie viel Geld sie aufwenden können … so in der Art. Es gibt Kollegen, die finden, man solle das nicht so offiziell machen, aber ich habe alles ausprobiert, und Sie können mir glauben, schriftlich ist besser. Manche Leute haben keine Vorstellung davon, was eine Ermittlung kostet, und wenn sie es herausfinden, ergreifen sie die Flucht. Doch bei diesem Mann greife ich nicht einmal in die Schublade. Es hat keinen Sinn. Das sage ich nicht, weil er Analphabet sein könnte, sondern aus einem anderen Grund.
    »Lovell«, sagt er. »Ich dachte mir, das ist einer von uns.«
    Er sieht mich herausfordernd an.
    »Womit kann ich Ihnen dienen, Mr …?«
    »Leon Wood, Mr Lovell.«
    Leon Wood ist klein und leicht übergewichtig. Er hat ein rötliches, sonnengebräuntes Gesicht. Man sagt heute nicht mehr wettergegerbt, obwohl er genau das ist. Seine Kleidung
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