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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah
Autoren: Stef Penney
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fahren mit dem Bus, der bei uns vor der Haustür hält, in den großen Park. Stella kommt auch zu Besuch, weil Samstag ist. Wir holen sie am Bahnhof ab. Im Park gibt es einen See und Tretboote, die fast wie richtige Boote sind. Es ist ein schöner Tag, obwohl es ziemlich kalt ist. Morgen werden die Uhren zurückgestellt.
    Stella und ich erzählen Klatsch aus der Schule. Meine neue Schule ist gar nicht so übel. Ich habe noch keine richtigen Freunde gefunden, mir aber auch keine Feinde gemacht. Und es gibt so viele verschiedene Leute dort, dass ich nicht auffalle. Ein Junge, der ein bisschen nervig ist, hat mich gefragt, weshalb wir Roma heißen. Ich habe gesagt, wir kämen aus Rom. Er wirkte ziemlich beeindruckt. Ich glaube, er hat mir das tatsächlich abgekauft. Ich habe es gesagt, weil ich dachte, er wäre dann sauer, aber danach wurde mir klar, dass er es vielleicht wirklich wissen wollte. Deswegen habe ich jetzt ein schlechtes Gewissen. Ich glaube, ich muss es ihm nächste Woche mal sagen.
    »Klingt ganz okay.«
    »Ja.«
    Stella schaut zu Boden. Wir gehen um den See herum, während Mama und Christo taktvoll zurückbleiben und mit den Enten reden.
    Sie sagt: »Du fehlst mir.«
    Mein Herz rast. Meint sie das ernst?
    »Ehrlich? Du mir auch.«
    »Danke!« Sie grinst mich an, wird aber ein bisschen rot.
    »Nein, wirklich!«
    »Schon klar. Die ganzen neuen Mädchen …«
    Ich schubse sie sanft, und sie tut, als würde sie zwischen die Bäume stolpern. Ich gehe ihr nach, und dort, wo niemand uns sehen kann, küsst sie mich auf die Lippen, und ihre Lippen sind kalt und warm zugleich. Ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich meine Freundin sein will, aber das ist wohl Beweis genug.
    Wir überreden Mama, dass wir mit Christo als Geburtstagsüberraschung Tretboot fahren dürfen. Seit der Rückkehr aus Frankreich ist er zum ersten Mal wieder auf einem Boot. Genau wie ich. Mama weigert sich, einen Fuß hineinzusetzen – außerdem muss ja auch jemand auf seinen Rollstuhl und die ganzen Sachen aufpassen. Wir steigen in das Tretboot und legen los. Selbst wenn man kräftig tritt, fährt es ganz langsam und macht viel Krach, und das Wasser schwappt darunter. Es ist schwierig, geradeaus zu fahren; die Leute vorne, das heißt ich und Stella, müssen im gleichen Rhythmus treten, was gar nicht so einfach ist. Ich drehe mich ständig nach hinten, um zu sehen, ob mit Christo alles in Ordnung ist, was die Sache nicht gerade besser macht. Eine beschissene Art der Fortbewegung, wenn man es mal so betrachtet.
    Als ich auf dem See bin, erinnere ich mich an die wunderschönen Ruderboote, die Mr Lovell und ich auf dem Krankenhausteich gesehen haben, die so elegant und einladend aussahen. In die wir nicht gestiegen sind. Die Namen haben mir wirklich gefallen: Chrissie – drei Personen; Violet – sechs Personen …
    Wir entgehen nur knapp einem Zusammenstoß mit einem Vater und seiner Tochter. Christo und die Tochter des Mannes, die etwa fünf sein dürfte, quietschen vor Vergnügen. Stella grinst. Ich schaue sie an und frage mich, wie das passieren konnte. Sie sieht mich nicht an, wirkt aber sehr glücklich, lacht und ermutigt mich, mit dem anderen Boot Fangen zu spielen.
    Ich passe nicht auf.
    »JJ … JJ! Stopp! Wir rammen gleich das Ufer!«, schreit Stella.
    Irgendwie sind wir eine Kurve gefahren. Dann kommt schon der Aufprall. Nicht sehr fest, denn wie ich schon erwähnte, ist das hier eine idiotische Art der Fortbewegung. Aber es gibt einen Ruck.
    »Sorry, sorry, sorry!«, brülle ich und drehe mich zu Christo um, der sich kaputtlacht, weil er glaubt oder glauben möchte, wir hätten es mit Absicht gemacht.
    »Noch mal!«, ruft er. Er spricht nicht sehr deutlich, aber ich weiß, was er meint, weil ich es schon einmal gehört habe.
    »Noch mal. Noch mal!«
    Und weil er Geburtstag hat und sieben Jahre alt ist und nicht sterben muss – und weil ich am liebsten laut johlen möchte –, machen wir es noch mal.
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Glossar

Chovihano
Heilkundiger
Gavvers
Polizei
Gorjio
Nicht-Roma (adj. und subst. gebraucht)
Mokady
unrein, tabu
Prikaza
Strafe, Vergeltung
Rai
Gentleman
Romanichal
Englischer Rom
Vardo
traditioneller Wohnwagen

    Anm. d. Ü.: Es handelt sich bei diesem Roman um eine Geschichte, die sehr bewusst im England der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts angesiedelt ist und nicht ohne weiteres an einen anderen Ort oder in eine andere Zeit versetzt werden könnte. Daher wurden auch die darin
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