Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah
Autoren: Stef Penney
Vom Netzwerk:
Abwechslung.«
    »Stimmt.«
    Wir sitzen eine Weile lang schweigend da. Wenn ich jetzt nicht frage, erschieße ich mich.
    »Haben Sie noch Kontakt zu ihm?«
    Sie erstarrt, und ich bereue die Frage sofort.
    »Tut mir leid, es geht mich nichts an. Vergessen Sie es …«
    »Nein, habe ich nicht.«
    Sie holt tief Luft und betrachtet das Wandgemälde. In der Mitte prangt eine leuchtend gelbe Sonne. Die undefinierbaren Vögel fliegen im Kreis um sie herum. Sie lächelt ein bisschen.
    »Eigentlich ist es ziemlich komisch. Er hat jemanden kennengelernt. Sie passt besser zu ihm.«
    »Sitzt sie auch im Rollstuhl?« Das rutscht mir völlig gedankenlos einfach so heraus.
    »Nein! Eine vornehme gorjio , meine ich . «
    »Oh. Verstehe. Ich … Geht es Ihnen gut?«
    »Ja, schon. Immerhin habe ich einen neuen Job.«
    Ihre Stimme klingt angespannt. Vielleicht hatte sie ihn wirklich gern. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es muss unbedingt das Richtige sein. Sie sieht auf die Uhr.
    »Ich sollte mal nachsehen, wie weit er ist.«
    Dann schaut sie hoch, an mir vorbei, und erstarrt.
    Ich bemerke ihren Gesichtsausdruck und folge ihrem Blick zur Eingangstür. Mein erster Gedanke ist: David. Doch die Tür hat sich automatisch geöffnet, weil eine junge Frau davor steht. Statt hereinzukommen, weicht sie zurück. Ihre Augen schießen argwöhnisch durch die Eingangshalle.
    Zuerst kommt sie mir irgendwie vertraut vor, aber ich kenne sie nicht. Ich entspanne mich.
    Erst als unsere Blicke sich begegnen, wird mir alles klar. Es ist die Reaktion in ihren Augen, die mich davon überzeugt, dass ich nicht träume. Das Entsetzen in ihrem Blick. Das Schuldgefühl. In einer Sekunde, weniger als einer Sekunde, ist sie weg.
    Lulu umklammert meinen Arm.
    » Verdammt noch mal!«, sagt sie mit gepresster, rauer Stimme.
    Ich springe auf und renne zur Tür, gefolgt von Lulu; wir müssen warten, bis sie sich langsam wieder öffnet; dann laufenwir nach draußen ins Helle. Da drüben ist der Personalparkplatz. Der Gehweg. Keiner da. Keiner da.
    Lulu geht nach links, ich nach rechts.
    Ivo in seinem blauen Baumwollkleid und dem ausgeleierten Pullover kann nur hier hinausgegangen sein, aber er ist nicht da, und es gibt keine Menschenmenge, in der er sich verstecken kann. Nur den verlassenen Gehweg. Kein davonfahrendes Auto.
    Ich laufe die Straße entlang, sehe in Hauseingänge und zum Tor des Parks hinüber. Keine Spur von ihm. Er könnte in eines der Geschäfte gegangen sein oder in ein Büro … Auf dem gegenüberliegenden Gehweg sehe ich ein Paar; ich laufe hin und frage, ob sie gerade jemanden aus dem Krankenhaus haben kommen sehen.
    »Er, ich meine sie, ging nur ein paar Sekunden vor mir heraus, schwarzes Haar, blaues Baumwollkleid … Haben Sie niemanden gesehen, der …?«
    Die beiden – vermutlich Touristen, ausgestattet mit Stadtplan, Regenjacke und Kamera – starren mich verständnislos an und schütteln den Kopf. Sie scheinen sich vor mir zu fürchten.
    Ich laufe weiter, komme an eine Kreuzung. Von Ivo keine Spur. Ich weiß nicht, ob ich links oder rechts abbiegen soll. Wenn ich mich irre, ist meine Chance dahin. Ich laufe willkürlich nach rechts. Meine Oberschenkel brennen, meine Lunge wehrt sich. Ich bin nicht mehr in Form seit dem Krankenhaus. Nein, das stimmt nicht. Wann bin ich je in Form gewesen? Ich kehre zur ersten Abzweigung zurück und nehme die andere Richtung. Ivo ist nirgendwo zu sehen.
    Irgendwann stehe ich da, die Hände auf die Knie gestützt, und zwinge mühsam den Atem in meine schmerzenden Lungen. Eine Frau schiebt ein Kind auf einem Holzpferd mit Rädern. Sie bleiben an einem Zebrastreifen stehen. Das Kind wendet den blonden Kopf hin und her. Ich kann nicht erkennen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Die Mutter bemerkt meinen Blick und eilt mit feindselig-besorgter Miene über die Straße.
    Als ich schließlich ins Krankenhaus zurückkehre, spricht Lulu gerade mit einem Angestellten. Sie eilt auf mich zu.
    Ich schüttle den Kopf. Ich bin langsam zurückgegangen, um wieder Luft zu bekommen. Und um nachzudenken.
    »Nichts? Keine Spur?« Sie klingt ebenso gequält wie wütend. »Ich habe ihn auch nicht gefunden, aber … es gab so viele Geschäfte …« Sie hebt frustriert die Hände. »Verdammte Scheiße.«
    »Tut mir leid, ich habe ihn nirgendwo gesehen. Aber es gibt nicht viele Orte, an denen er sich verstecken könnte. Er muss mit dem Auto gekommen sein.«
    »Ich kann es einfach nicht fassen. Dieser beschissene perverse …
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher