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Vielleicht Verliebt

Vielleicht Verliebt

Titel: Vielleicht Verliebt
Autoren: Ruth Loebner
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    B ist du bereit?« Elisa sieht dem Käfer tief in die Augen. »Dann gib alles!« Vorsichtig setzt sie ihn zwischen den Socken und dem Stapel mit den Origami-Fröschen im Experimentparcours ab. Der Käfer krabbelt los.
    Elisa denkt mit aller Kraft an Joram. Sie versucht gar nicht erst, sich sein Gesicht vorzustellen. Das hat sie hundert Mal probiert – und es hat hundert Mal nicht funktioniert. Sie konzentriert sich lieber auf seinen Geruch. Dazu muss sie nur die Augen zumachen, und schon riecht sie ihn vor sich: Joram duftet, wie eine braune Blume duften würde, wenn es braune Blumen gäbe. Ein bisschen süß, ein bisschen herb. Elisa weiß nie, ob dieser Duft sie an den Frühling oder an den Herbst erinnert, ob er sie glücklich oder traurig macht oder alles auf einmal.
    »Bin ich in ihn verliebt«, fragt sie mit fester Stimme, »oder bin ich nicht?« Sie atmet tief ein und schlägt die Augen wieder auf.
    Der Käfer bleibt abrupt vor dem Schatten stehen, den der grüne Bauklotz auf den Boden wirft, als wäre der Schatten ein Hindernis. Dann krabbelt er im weiten Bogen in der Sonne weiter Richtung Stinkesocken.
    Ist das schon der entscheidende Hinweis? Die Botschaft, die der kosmische Plan Elisa schicken will? Ist Joram ein Schatten, um den sie einen Bogen machen sollte? Liebesmäßig?
    Allerdings ist es ziemlich bekloppt von dem Käfer, einen Bogen um einen Schatten zu machen. Er hätte einfach drüberlatschen können, ohne dass ihm was passiert wäre. Ist also das die Botschaft vom kosmischen Plan? Soll Elisa gefälligst schlauer sein als ein Käfer und einfach drauflosmarschieren? Auf Joram? Liebesmäßig?

    Der Käfer setzt einen gelbbraunen Mikrokackeklecks auf den Boden und hebt seine harten Flügelschalen hoch. Darunter entknittern sich die frischhaltefolienartigen Flug-Flügel.
    »Du kannst jetzt nicht weg.« Elisa erklärt es ihm ganz langsam. »Ich hab noch keine Antwort.« Der Käfer zieht die Knitterdinger wieder ein und klappt seinen gepunkteten Rucksack zu.
    »Brav!«
    Vielleicht hat sie zu viele kitschige Geschichten im Fernsehen gesehen oder die falschen Bücher gelesen, jedenfalls hat Elisa sich immer vorgestellt, wenn sie sich verliebt, würde ein Feuerwerk explodieren. Oder ein Orkan brausen. Oder ein Regen Konfetti niedergehen. Oder sie würde einen Frauenchor irgendeine Schnulze trällern hören. Nichts davon ist passiert.
    Es sind aber andere Sachen passiert, seit sie Joram kennt – kleinere, leisere. Kein Feuerwerk, aber immerhin Glühwürmchen. Zum Beispiel, wenn seine Ohren rot anlaufen, was sie ziemlich oft tun. Kein Orkan, aber ein sanfter Windhauch. Zum Beispiel, wenn sie miteinander reden und Elisa plötzlich merkt, wie krass anders man die Welt sehen kann. Kein Frauenchor, aber so eine Art Gesumm. Zum Beispiel, wenn Joram am Klavier sitzt und sich das ganze Wohnzimmer in eine schwingende gedankenfreie Glücksblase verwandelt.
    Und die Sache mit dem Konfetti ist das Merkwürdigste überhaupt.
    Es war vor ungefähr zwei Monaten in ihrem Zimmer. Joram wollte Elisa etwas schenken. Was an sich ja schon mal aufregend war, immerhin kannten sie sich da gerade mal seit einer Woche. Noch aufregender wurde es dann aber, als sich rausstellte, was das Geschenk war: das grüne Notizbuch nämlich, für Elisas Ersatz-Namens-Suche. Damit hätte sie niemals gerechnet. Als sie Joram am Wochenende davor erzählt hat, dass sie ›Elisa‹ einen unterirdisch unpassenden Namen findet und deswegen schon seit Ewigkeiten einen neuen sucht, hat er das überhaupt nicht verstanden (dachte Elisa). Er hat dazu bloß gesagt, dass er ›Elisa‹ einen schönen Namen findet. Und damit war die Sache für ihn erledigt (dachte Elisa).
    War sie aber doch nicht. Was das Notizbuch bewiesen hat. Was wiederum bewiesen hat, dass Joram genau kapiert hat, wie wichtig Elisa die Namenssuche ist. Was wiederum bewiesen hat, was für eine Art Mensch Joram ist, nämlich die voll durchblickende Sorte.
    Jedenfalls. Es gab ein Problem bei der Geschenkübergabe. Das Chaos in Elisas Zimmer hatte an diesem Tag nämlich die letzte Stufe vor der automatischen Verbesserung erreicht. Es war also ziemlich voll überall, auch auf dem Boden. Das Notizbuch steckte in Jorams Umhängetasche, wo er es nicht rausholen konnte, weil er fast im Spagat auf den letzten beiden Fitzeln freier Bodenfläche stand und mit den Armen rudern musste, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

    Um ihn zu retten, hat Elisa dann an seiner Hand gezogen. Und jetzt
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