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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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unserem morgigen Wissen als unvereinbar und so als falsch erweist. Trotzdem ist Wissen eine besondere, hervorstechende Form begründeten oder rationalen Glaubens oder Fürwahrhaltens: Ich weiß und gehe als
sicher
davon aus, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur auf Mallorca höher ist als in Franken. Aber ich weiß nicht, sondern nehme lediglich rationalerweise als
wahrscheinlich
an, dass auch die morgige Temperatur auf Mallorca höher sein wird als in Franken; es gibt immer wieder einzelne Tage im Jahr, an denen die Temperatur in Franken höher ist.
    Während die einzelnen Gegenstände unseres Wissens enorm vielfältig sind, ist die Grundlage unseres wesentlichen Wissens bzw. die Methode zu seiner Erlangung relativ leicht durchschaubar: Das logische Wissen ergibt sich aus der Bedeutung unserer sprachlichen Ausdrücke. Und das Wissen über die Außenwelt beruht auf unserer Sinneswahrnehmung. Nun kann man natürlich die Frage stellen, warum wir unsdenn, was unser Wissen angeht, überhaupt auf die Bedeutung unserer Sprache sowie auf unsere Sinneswahrnehmung verlassen sollen. Handelt es sich bei diesem Vorgehen nicht vielleicht um metaphysische Annahmen, die nicht begründbar sind?
    Hierauf lässt sich wie folgt antworten. Richtig ist, dass unser Vertrauen auf die Bedeutung unserer Sprache und auf unsere Sinneswahrnehmung nicht selbst wieder über die Sprache bzw. die Sinneswahrnehmung begründet werden kann. Denn es handelt sich hier ja nicht um einzelne Gegenstände oder Inhalte unseres (logischen bzw. empirischen) Wissens, sondern um die
Voraussetzungen
dieses unseres Wissens. Wenn man diese Voraussetzungen deshalb, weil sie selbst nicht logischer bzw. empirischer Art sind, als «metaphysisch» bezeichnen will, so mag man das tun. Man sollte dabei jedoch nicht übersehen, dass es sich hier um eine ganz andere Art von «Metaphysik» handelt als dort, wo der Ausdruck sich auf Gegenstände oder Sachverhalte einer eigenen, außersprachlichen sowie außerempirischen Realität bezieht, die, wie von den Verfechtern dieser Metaphysik angenommen, nur durch reines Denken erkannt werden können.
    Richtig ist auch, dass unser Vertrauen auf die Sprachbedeutung bzw. die Sinneswahrnehmung nicht in dem Sinne begründet werden kann, dass dieses Vertrauen sich aus irgendwelchen Prämissen, die uns erkennbar sind, ableiten ließe. Trotzdem ist eine gewisse Form der Begründung dadurch möglich, dass man sich fragt, was die Folgen wären, wenn wir auf die beiden genannten Methoden der Wissensgewinnung verzichten bzw. alternative Methoden bevorzugen würden.
    Wenn wir auf jegliches logische Schließen aufgrund der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke verzichten würden, wären die Folgen ziemlich weitreichend. Unsere Sprache würde nämlich jenen Teil ihrer Funktion, der ausschließlich auf der Relation verschiedener Ausdrücke zueinander beruht, vollkommen einbüßen. So könnte etwa ein Satz wie der, dass alle Frauen Menschen sind, nicht mehr wie üblich verstanden werden. Denn dieser Satz besagt ja nichts anderes, als dass es innerhalb der Gesamtklasse jener Wesen, die wir als «Menschen» bezeichnen, neben anderen Unterklassen (etwa der Kinder oder der Männer) auch eine Unterklasse gibt, die wir als «Frauen» bezeichnen. Das Besondere an einem Satz wie «Alle Frauen sind Menschen» ist, dass wir wissen können, dass er wahr ist, ohne dabei auf die Wahrnehmung irgendwelcher konkreten Menschen oder Frauen Bezug zu nehmen.
    Und wie stünden wir da, wenn wir der Sinneswahrnehmung nicht mehr vertrauen würden? Wir müssten offenbar nach einer Alternative Ausschau halten, um uns über die Wirklichkeit zu informieren. Wie aber könnte diese Alternative aussehen? Nun, sie
könnte
– logisch betrachtet – äußerst vielfältig und unterschiedlich aussehen. Sie könnte etwa so aussehen, dass wir unter dem Einfluss bestimmter Drogen jeden Tag zwischen 22 und 23 Uhr in einem dunklen Zimmer in uns hineinhorchen. Oder sie könnte so aussehen, dass wir uns einmal in der Woche von einem Guru belehren lassen oder versuchen, mit unserem Lieblingsengel in Kontakt zu treten.
    Die Antwort auf diese und andere denkbare Methoden der Wissensgewinnung ist einfach: Die jeweils vorgeschlageneMethode wird bei den meisten Menschen zu
gar keinen
Vorstellungen führen, die sie als «Wissen» bezeichnen möchten. Und sie wird bei den übrigen Menschen zu Wissensannahmen führen, die so sehr voneinander abweichen, dass jene intersubjektive Übereinstimmung,
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