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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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Menschen in böser Absicht unmoralischen Gebrauch machen.
    Aber ist es wirklich nachvollziehbar, dass die Willensfreiheit eines Diktators wie Hitler oder Stalin die Millionen von Opfern wert ist, die diese Willensfreiheit zur Folge hatte? Außerdem aber: Welchem auch nur denkbaren höheren Wert könnten denn die oben genannten
natürlichen
Übel dienen? Ist nicht gegen viele dieser Übel der Mensch sogar bei äußerster moralischer Anstrengung vollkommen machtlos? Und schließlich: Warum schuf Gott zu allem Überfluß auch noch eine Tierwelt, die ebenfalls immer wieder von sinnlosem Leid verfolgt ist?
    Wenn wir annehmen, das Problem des Übels sei, wie ich vermute, tatsächlich
nicht
im Sinne des Theisten lösbar, was folgt daraus? Gewiss folgt, dass die Existenz des monotheistischen Gottes mit der ihn definierenden moralischen Vollkommenheit bzw. Allgüte nicht glaubwürdig ist. Es folgt jedoch
nicht,
dass wir nicht möglicherweise nach wie vor guten Grund haben, an die Existenz von einem oder mehreren übernatürlichen Wesen zu glauben. Ich möchte abschließend dem Leser zwei mögliche Hypothesen der Welterklärung zu bedenken geben, die an die Stelle des traditionellen monotheistischen Gottesglaubens treten könnten.
    1. Es könnte
zwei
ewige göttliche Wesen geben – ein «allgütiges» und ein im Gegensatz dazu «allböses» –, die sich die Erschaffung der Welt geteilt haben und die weiterhin – das eine im positiven, das andere im negativen Sinn – auf die Welt einwirken. Diese Sichtweise hätte mit der christlichen immerhin Berührungspunkte. Denn auch nach christlicher Sichtweise gibt es bekanntlich den Teufel, der «allböse» ist und vielfältig auf die Welt einwirkt – einen Teufel allerdings, der weder von Ewigkeit her existiert noch seinem göttlichen Widerpart an Macht ebenbürtig ist.
    2. Es könnte das eine, allmächtige göttliche Wesen geben, das die Welt erschaffen hat, das jedoch, moralisch betrachtet, weder gut noch böse, sondern vollkommen
indifferent
ist und so an Glück und Wohlergehen von Mensch und Tier gar kein Interesse zeigt. Ich frage mich: Warum müssen wir Menschen überhaupt auf die Idee kommen, einen möglichen Weltschöpfer moralisch zu bewerten? Die Mäuse in meinem Garten würden, falls sie denken könnten, wohl auch kaum auf die Idee kommen,
mich
in moralischer Hinsicht zu bewerten.Denn ich habe den Mäusen bei der Anlage und Bearbeitung meines Gartens noch nie – weder in positiver noch in negativer Hinsicht – die geringste Aufmerksamkeit geschenkt. Die Mäuse werden deshalb vernünftigerweise meine haushohe Überlegenheit ihnen gegenüber einfach als gegeben hinnehmen und mit den Folgen, die meine Gartenarbeit für sie hat, teils erfreut und teils entsetzt zu leben suchen. Ist nun aber der Machtunterschied zwischen dem Weltschöpfer und uns Menschen nicht noch ungleich größer als der zwischen mir und den Mäusen?
    Beide vorgestellten Hypothesen sind offensichtlich mit dem Problem des Übels von vornherein nicht konfrontiert und insofern der monotheistischen Gotteshypothese deutlich überlegen. Keinesfalls ausweichen kann man dem Problem des Übels jedoch, wie nicht selten versucht wird, dadurch, dass man sagt, Gott sei zwar allgütig, aber er sei allgütig in einem ganz anderen als in unserem
menschlichen
Sinn des Wortes. Denn ein Gott, der in einem «ganz anderen», uns Menschen nicht vertrauten und unzugänglichen Sinn «allgütig» ist, könnte gleichzeitig ja in dem uns vertrauten, menschlichen Sinn des Wortes geradezu «allböse» sein und etwa auf unsere Gebete nur mit Schadenfreude und Sadismus reagieren. Auch zu dieser Verteidigungsstrategie des Gottesglaubens muss man sagen: Sie verletzt die Minimalbedingungen rationaler Argumentation.
    Man kann die Frage nach der Vereinbarkeit von religiösem Glauben und Wissen bzw. von Religion und Vernunft sogar in einem mehrbändigen Werk kaum definitv und auch nicht für alle Religionen gleichzeitig beantworten. Was man jedoch schon auf wenigen Seiten zeigen kann, ist, dass jedenfalls
einige
der Antworten auf diese Frage, die in der eigenen Gesellschaft häufig gegeben werden, einer rationalen Prüfung nicht standhalten.

Schlussbemerkung
    Wir wissen etwas, wenn wir mit gutem Grund oder rationalerweise als sicher davon ausgehen können, dass das Gewusste wahr ist. Das heißt nicht, dass unser Wissen unfehlbar ist in dem Sinn, dass es ganz undenkbar oder ausgeschlossen wäre, dass das, was wir heute wissen, sich mit
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