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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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beten, den man für nichts anderes als für «unbegreiflich» hält, könnte einem sogar ebenso schaden wie nützen. Denn vielleicht will dieses «Unbegreifliche»ja vor allem in Ruhe gelassen werden. Ja, vielleicht ist dieses «Unbegreifliche» nicht einmal ein personales Wesen, das unsere Gebete überhaupt empfangen kann.
    Natürlich ist es niemandem verboten, sich zu Gott zu bekennen und diesen «Gott», sofern herausgefordert, einfach als «undefinierbar» zu bezeichnen oder als «unbegreiflich» zu definieren. Nur sollte der Gesprächspartner in diesem Fall darauf bestehen: Die Existenz
dieses
«Gottes» kann für unser moralisches wie für unser emotionales Leben nicht die geringste Bedeutung gewinnen, und
dieser
«Gott» ist nicht derselbe Gott wie der Gott der monotheistischen Religionen!
    Der Gott der drei monotheistischen Weltreligionen ist nach dem überkommenen Verständnis dieser Religionen ja durchaus definierbar, nämlich als ein rein geistiges, personales Wesen, das die Welt erschaffen hat sowie erhält und das gleichzeitig durch absolute Vollkommenheit, das heißt durch die (im wesentlichen durchaus begreiflichen) Eigenschaften der Allmacht, Allwissenheit, Allgüte und Allgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Natürlich mag auch dieser Gott zusätzlich noch Eigenschaften besitzen, die für uns «undefinierbar» sind, sowie Dinge tun und Entscheidungen treffen, die uns «unbegreiflich» sind. Aber diesen selben Gott immer dann, wenn man, was seine Existenz angeht, vor Begründungsproblemen steht, einfach mit etwas Existierendem gleichzusetzen, das
nichts anderes
als «undefinierbar» und «unbegreiflich» ist, verletzt die Minimalbedingungen rationaler Argumentation.
    Dass es problematisch ist, einem rein geistigen, körperlosen Wesen die Erschaffung und Gestaltung der materiellenWelt zuzuschreiben, sahen wir schon (S. 107). Noch problematischer jedoch ist es, wie ich wenigstens im Ansatz nun zeigen möchte, ein Wesen, das unsere tatsächliche Welt, so wie sie ist, erschaffen hat, als moralisch vollkommen, also insbesondere als allgütig zu bezeichnen. Es geht hier um das sogenannte Theodizee-Problem, das Problem des Übels in einer von Gott erschaffenen Welt. Oft wird dieses Problem so verstanden, dass die moralische Vollkommenheit Gottes als ganz selbstverständlich vorausgesetzt und dann dem Atheisten bzw. Skeptiker die Beweislast zugeschoben wird, diese moralische Vollkommenheit unter Hinweis auf das Übel in der Welt zu widerlegen. Die so gemachte Voraussetzung ist jedoch ganz unbegründet, wie die folgenden Überlegungen deutlich machen.
    Wie kann der Mensch aus seinem Wissen über die Welt vernünftigerweise den Schluss ziehen, dass jener Gott, der diese Welt erschaffen hat, sowohl allmächtig als auch allgütig ist? Für die Allmacht Gottes dürfte in der Tat bereits die Schöpfung der Welt aus dem Nichts sprechen, sofern man diese für plausibel hält. Gleiches gilt aber mitnichten auch für die Allgüte Gottes. Denn über die moralischen Qualitäten jenes Wesens, das die Welt erschaffen hat, können wir uns doch allein aus dem uns erkennbaren Zustand eben dieser Welt eine Bild machen.
    Sind aber die zahlreichen Übel in der von Gott erschaffenen Welt nicht mehr als offenkundig? Da sind zum einen die
natürlichen
Übel wie Krankheiten, Seuchen und Naturkatastrophen vielfältigster Art. So forderte beispielsweise – um nur zwei solcher Katastrophen anzuführen – das sogenannte Seebeben vor ein paar Jahren in Indonesienüber 200.000 und die sogenannte Spanische Grippe vor 90 Jahren ca. 20 Millionen Todesopfer. Noch weit schlimmer aber sind die folgenden Zahlen: Seit Jahren gehen weltweit
täglich
25.000 bis 30.000 Kinder noch vor ihrem fünften Lebensjahr an Hunger und Krankheit jämmerlich zugrunde; das bedeutet eine jährliche Opferzahl von ca. 10 Millionen. Und da sind außerdem die
moralischen
Übel, wie sie Mörder, Vergewaltiger und Räuber immer wieder in der Gesellschaft anrichten, bis hin zu den Massenmorden von Diktatoren wie einem Hitler oder Stalin.
    Wie kann man angesichts solcher offenkundigen Übel, ja Grausamkeiten rationalerweise überhaupt auf die
Idee
kommen, einen Gott als allgütig zu bezeichnen, der als ein allmächtiges Wesen eine solche Welt erschaffen hat? Oft heißt es, der überragende Wert der dem Menschen von Gott verliehenen Willensfreiheit biete hierfür die passende Erklärung. Denn diese Willensfreiheit habe nun einmal zur Folge, dass von ihr auch immer wieder
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