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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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dass der Satz, an den ich glaube, auch wirklich wahr ist. Auch wenn ich noch so fest davon überzeugt bin, dass der Montblanc in Tibet liegt, so macht diese Überzeugung oder dieser Glaube den Satz, dass der Montblanc in Tibet liegt, nicht wahr und vermittelt auch kein Wissen.Der Glaube allein versetzt keine Berge – jedenfalls nicht in der Wirklichkeit.
Ohne Wahrheit kein Wissen!
    Sowohl Glaube als auch Wahrheit sind also für Wissen unverzichtbar; sie sind notwendige Bedingungen des Wissens. Sind sie aber auch schon ausreichende Bedingungen? Wissen wir tatsächlich all das, was wir glauben und was außerdem wahr ist? Man könnte versucht sein, dies anzunehmen. Doch diese Annahme wäre, wie folgendes Beispiel zeigt, ein Irrtum.
    Beispiel 1.
Angenommen, ein Autor A glaubt, dass von seinem letzten Buch bei C.H.Beck bis heute ca. 2000 Exemplare verkauft wurden. Warum glaubt er dies? Nun, vielleicht glaubt er es nur deshalb, weil er darauf hofft; vielleicht glaubt er es aber auch deshalb, weil von seinem vorletzten Buch bei C.H.Beck ein Jahr nach seinem Erscheinen 1993 Exemplare verkauft waren und er deshalb davon ausgeht, dass ungefähr dieselbe Verkaufszahl auch sein letztes Buch ein Jahr nach seinem Erscheinen erreicht haben wird. Nehmen wir nun weiter an, dass, wie der Verlag feststellt, von As letztem Buch tatsächlich bis heute, ein Jahr nach seinem Erscheinen, 2012 und somit ca. 2000 Exemplare verkauft wurden.
    Das heißt: Der Sachverhalt, dass von seinem letzten Buch ein Jahr nach seinem Erscheinen ca. 2000 Exemplare verkauft waren, wird 1. von A geglaubt und ist 2. auch wahr. Würden wir aber auch sagen wollen, dass A
weiß,
dass der Sachverhalt wahr ist, dass er also weiß, dass von dem Buch bis heute ca. 2000 Exemplare verkauft wurden? Ganz offensichtlich nicht; denn As Annahme oder sein Glaube an die genannteVerkaufszahl ist, obschon wahr und auch als wahr erweisbar, zweifellos ganz unberechtigt und irrational. Es ist nämlich sowohl irrational, von einer bloßen Hoffnung ohne weiteres zu einem entsprechenden Glauben überzugehen (was im Übrigen für Hoffnungen bzw. Glaubensannahmen
jeder
Art gilt!). Und es ist ebenfalls irrational, aus einem einzigen früheren Ereignis einen Schluss auf ein in gewisser Hinsicht ähnliches künftiges Ereignis zu ziehen. Es spricht generell nichts dafür, dass der Absatz verschiedener Bücher – auch solcher in demselben Verlag und von demselben Autor – gleich hoch ist.
    A weiß also in Wahrheit
nicht,
dass sein Buch bis heute die genannte Verkaufszahl erreicht hat. Und zwar weiß er es deshalb nicht, weil sein entsprechender Glaube, obschon er wahr ist, nicht gerechtfertigt ist. As Glaube wäre gerechtfertigt etwa dann, wenn A sich zuvor von seinem Verlag die entsprechende Information geholt hätte. Und in diesem Fall könnte man gewiss zu Recht sagen, dass A das entsprechende Wissen besitzt. So aber beruht As Glaube auf einer irrationalen Annahme und kann eben deshalb nicht als Wissen gelten. Die dritte unverzichtbare Voraussetzung von Wissen lautet somit: Der Glaube muss nicht nur wahr, er muss auch ausreichend begründet und damit gerechtfertigt sein.
Ohne Rechtfertigung kein Wissen!
    Dass Wissen nicht auf einer irrationalen Annahme beruhen kann, wird besonders deutlich in jenen Fällen, in denen der betreffende Glaube nicht einmal beansprucht, irgendwie begründbar zu sein, sondern auf bloßem Raten beruht wie in folgendem Beispiel.
    Beispiel 2.
Wenn ich glaube (und sogar darauf wette), dass der FC Bayern München in seinem nächsten Bundesligaspiel 0:0 spielen wird, dann
weiß
ich dies natürlich nicht. Und ich kann auch dann nachträglich nicht sagen, dass ich es
wusste,
wenn das Spiel tatsächlich 0:0 ausgegangen ist, wenn meine Voraussage sich also als wahr erwiesen hat und ich mit ihr gutes Geld verdient habe.
    Das Wissen, über das wir reden, bezieht sich immer auf eine bestimmte Person und auf einen bestimmten Zeitpunkt. Das zeigen deutlich die beiden Beispiele: Manches Wissen (wie in Beispiel 2) hat zu dem fraglichen Zeitpunkt (vor dem Spiel) niemand – und
kann
zu diesem Zeitpunkt normalerweise auch noch niemand haben; zu dem späteren Zeitpunkt (nach dem Spiel) jedoch haben dieses Wissen offenbar sehr viele Menschen. Ein anderes Wissen (wie in Beispiel 1) haben zu dem fraglichen Zeitpunkt vielleicht ein paar Personen (in der Verkaufsabteilung des Verlages); und es
kann
zu diesem Zeitpunkt bereits jeder haben, der die nötige Information aus dem Verlag
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