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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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auch mathematische Wahrheiten. Es gibt auch logische Wahrheiten, die sich durch mathematische Zeichen nicht ausdrücken lassen und doch auf der Bedeutung der verwendeten Ausdrücke beruhen. Beispiele sind die Wahrheiten, dass alle Junggesellen unverheiratet sind und dass alle Frauen Menschen sind.
    Die wichtigsten logischen Wahrheiten, die nicht mathematischer Art sind, betreffen
gültige
– logisch gültige –
Argumente
. Als Argument gilt eine Folge von Aussagen, deren abschließende Aussage (die Schlussfolgerung oder Konklusion des Arguments) durch die vorangehenden Aussagen (die Voraussetzungen oder Prämissen des Arguments) begründet werden sollen. Ein Argument kann eine oder mehrere Prämissen haben. Gültig ist ein Argument genau dann, wenn die Begründung logisch korrekt ist, das heißt, wenn die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt, das heißt, wenn der Wahrheitsgehalt der Prämissen notwendigerweise auf die Konklusion übergeht:
Falls
die Prämissen des Arguments wahr sind, ist
zwingend
auch die Konklusion des Arguments wahr. Dies zeigt das folgende, vielzitierte Beispiel.
    Argument 1.
    Prämisse 1: Alle Menschen sind sterblich.
    Prämisse 2: Sokrates ist ein Mensch.
    Konklusion: Sokrates ist sterblich.
    Doch auch Argumente, deren Prämissen tatsächlich
nicht
wahr sind, können gültig sein.
    Argument 2.
    Prämisse 1: Alle Affen sind größer als zwei Meter.
    Prämisse 2: George W. Bush ist eine Affe.
    Konklusion: George W. Bush ist größer als zwei Meter.
    Argument 2
ist offensichtlich ebenso gültig wie
Argument 1,
da es genau dieselbe Struktur wie dieses hat. Trotzdem sindalle drei Aussagen in
Argument 2
falsch. Ja, die Konklusion eines logisch gültigen Arguments kann sogar wahr sein, obschon sämtliche Prämissen falsch sind.
    Argument 3.
    Prämisse 1: Alle Affen sind größer als ein Meter.
    Prämisse 2: George W. Bush ist ein Affe.
    Konklusion: George W. Bush ist größer als ein Meter.
    Auch dieses Argument ist wegen seiner Struktur zweifellos gültig. Es kommt nach alledem für die Gültigkeit eines Arguments auf die
tatsächliche
Wahrheit seiner Konklusion gar nicht an. Gültig ist ein Argument vielmehr immer dann, wenn,
für den Fall,
dass die Prämissen wahr sind, die Konklusion ebenfalls – und zwar notwendigerweise – wahr ist.
    Ein gültiges Argument kann, wie schon gesagt, auch nur
eine
Prämisse haben.
    Argument 4.
    Prämisse: Immanuel Kant war ein Philosoph.
    Konklusion: Immanuel Kant war ein Philosoph, oder alle Menschen sind sterblich.
    Argument 4
ist gültig, weil die Konklusion in ihrer Gesamtheit schon dann zwingend wahr ist, wenn auch nur
eine
ihrer beiden Teilaussagen – sei es die erste Teilaussage, also die Prämisse, oder die zweite Teilaussage – wahr ist. Denn das besagt die Bedeutung des Wortes «oder». Die Wahrheit einer einzigen Prämisse reicht hier also aus, um die Wahrheit der Konklusion sicherzustellen. Neben dieser wahren Prämissekann jede beliebige weitere Aussage, ob wahr oder falsch, als zweite Teilaussage in die Konklusion eingehen, ohne dass das Argument dadurch seine Gültigkeit verliert. Falls die Prämisse wahr ist, kommt es auf die Wahrheit der zweiten Teilaussage überhaupt nicht an.
    Argument 5.
    Prämisse: Immanuel Kant war ein Philosoph.
    Konklusion: Immanuel Kant war ein Philosoph, oder alle Menschen sind unsterblich.
    Auch
Argument 5
ist offenbar ebenso gültig wie
Argument 4.
Ist alles dies aber wirklich uneingeschränkt richtig? Das heißt: Folgt aus der Bedeutung des Wortes «oder» wirklich, dass es für die Wahrheit der Konklusion auf die Wahrheit der zweiten Teilaussage überhaupt nicht ankommt? Ich möchte nun zeigen, dass dies keineswegs unter allen Umständen der Fall ist.
    Nehmen wir an, ich habe von einem Versandunternehmen einen Artikel bestellt und sende ihn zurück, da er mir nicht gefällt. In den Verkaufsbedingungen des Unternehmens lese ich den Satz «Bei Rücksendung des gekauften Artikels erhält der Kunde den Kaufpreis erstattet oder gutgeschrieben». Tatsächlich aber bekomme ich als Folge meiner Rücksendung den Kaufpreis sowohl erstattet als auch gutgeschrieben. Kann ich unter diesen Umständen wirklich annehmen, dass das Unternehmen sich im Einklang mit seinen Verkaufsbedingungen verhalten hat? Wohl kaum; ich muss vielmehr annehmen, dass es sich bei der Erstattung
und
der Gutschrift des Kaufpreises um ein Versehen handelt, das ich anständigerweisedem Unternehmen mitzuteilen habe, damit es die vorgenommene
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