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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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sondern außerdem zur Prämisse von
Argument 6,
aus der Prämisse 1 von
Argument 7
ja abgeleitetist, in logischem Widerspruch steht. Zwei Aussagen, die zueinander in logischem Widerspruch stehen,
können
aber nicht beide wahr sein. Genau dieser logische Widerspruch führt deshalb dazu, dass die zweite Teilaussage der Prämisse 1 von
Argument 7
sich aus den Prämissen 1 und 2 desselben Arguments ableiten lässt und so zu einer gültigen Konklusion wird.
    Die erschreckende Folge dieser Besonderheit aber ist: Die zweite Teilaussage der Prämisse 1 von
Argument 7
und damit die Konklusion dieses Arguments kann lauten, wie sie will; sie kann
jeden beliebigen Inhalt
haben! Ob sie wahr oder falsch, ja geradezu absurd ist, ändert an der Schlüssigkeit des Arguments gar nichts. Statt «David Hume war ein Komponist» könnte sie ebensogut auch lauten «David Hume war ein Philosoph» oder «Alle Tiere sind unsterblich».
    Aus alledem ergibt sich die folgende wichtige Erkenntnis: Falls in
irgendeiner
Untersuchung oder Überlegung Aussagen enthalten sind, die in einem logischen Widerspruch zueinander stehen, so lässt sich aus diesen Aussagen
jede beliebige
weitere Aussage logisch gültig ableiten. Man braucht (wie oben geschehen) nur – in einem ersten Schritt – aus der einen Aussage (Aussage 1) eine zweiteilige Aussage mit «oder», deren eine Teilaussage Aussage 1 und deren andere Teilaussage die gewünschte Konklusion ist, abzuleiten und dann – in einem zweiten Schritt – aus dieser zweiteiligen Aussage und der zu Aussage 1 in Widerspruch stehenden Aussage 2 die Konklusion als solche abzuleiten. Man sieht hier, wie enorm wichtig in jeder Wahrheit beanspruchenden Darstellung die Konsistenz oder logische Widerspruchsfreiheit
sämtlicher
Aussagen ist. Ein einziger logischer Widerspruchist für ein denkerisches Unternehmen weitaus gefährlicher als zehn extreme Unwahrheiten!
    Kommen wir nun zu den folgenden Argumenten, die ebenfalls nur eine Prämisse haben.
    Argument 8.
    Prämisse: Wer ein Terrorist ist, ist ein Verbrecher.
    Konklusion: Wer kein Verbrecher ist, ist kein Terrorist.
    Argument 9.
    Prämisse: Wer ein Terrorist ist, ist ein Verbrecher.
    Konklusion: Wer ein Verbrecher ist, ist ein Terrorist.
    Aus der jeweiligen Prämisse (gleichbedeutend mit «Alle Terroristen sind Verbrecher») folgt offenbar die erste, nicht aber die zweite Konklusion. Das
Argument 8
ist also gültig, das
Argument 9
dagegen ungültig und ein Fehlschluss. Es gibt ja bekanntlich eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Verbrechen bzw. Verbrecher: Wer etwa einen Bankraub oder eine Vergewaltigung begeht, ist zwar ein Verbrecher, aber nicht unbedingt ein Terrorist. Im Alltag – auch in den Medien – begegnet man jedoch nicht selten Fehlschlüssen, die genau die Struktur des
Argumentes 9
haben. Dass der normale Bürger dies oft übersieht, liegt unter anderem daran, dass die Fehlschlüsse sich bisweilen in relativ verschachtelten Sätzen finden und deshalb selten so leicht erkennbar sind wie im obigen Fall.
    Wie leicht Menschen im Alltag selbst bei solchen Argumenten zu Fehlschlüssen neigen, deren Struktur nicht eigentlich kompliziert ist, mag das folgende Beispiel zeigen. Angenommen,jemand sagt: «Während des ‹Dritten Reiches› waren die Deutschen Antisemiten». Und nach einer Begründung für seine Behauptung gefragt, sagt er: «Nun, wie jeder weiß, waren die Nazis doch Antisemiten. Und die Nazis waren ja außerdem auch Deutsche». Dieser Begründung scheint das folgende Argument zugrunde zu liegen:
    Argument 10.
    Prämisse 1: Die Nazis waren Antisemiten.
    Prämisse 2: Die Nazis waren Deutsche.
    Konklusion: Die Deutschen waren Antisemiten.
    Argument 10
ist jedoch keineswegs gültig, sondern ein typischer Fehlschluss. Man sieht dies sofort, wenn man statt der drei in dem Argument vorkommenden Hauptwörter etwa die Wörter «Löwen», «gefährlich» und «Säugetiere» einsetzt. Das neue Argument lautet dann wie folgt:
    Argument 11.
    Prämisse 1: Die Löwen sind gefährlich.
    Prämisse 2: Die Löwen sind Säugetiere.
    Konklusion: Die Säugetiere sind gefährlich.
    Was aus den beiden Prämissen von
Argument 11
tatsächlich folgt, ist offenbar lediglich die Konklusion «Einige Säugetiere sind gefährlich». Und dementsprechend folgt aus den beiden Prämissen von
Argument 10
lediglich die Konklusion «Einige Deutsche waren Antisemiten».
    Mit dieser Widerlegung von
Argument 10
ist natürlich die Aussage selbst «Die Deutschen waren Antisemiten»
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