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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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für jedermann erkennbar ist. Manche logischen Wahrheiten, ob mathematischer odersonstiger Art, sind in ihrer Struktur so kompliziert, dass ihre Erkenntnis an Denkvoraussetzungen geknüpft ist, über die nicht jedermann verfügt, und dass selbst unter Fachleuten, was diese Wahrheiten angeht, Meinungsverschiedenheiten und Irrtümer nicht ausgeschlosssen sind.
    Was sind logische Wahrheiten überhaupt wert? Durch logisches Denken und die Gewinnung logischer Wahrheiten
allein
kann man zwar über die reale Welt kein brauchbares Wissen erlangen. Trotzdem ist logisches Denken auch für das Erkennen der realen Welt unverzichtbar. Denn es stellt eine notwendige Bedingung für die Erlangung
jeglichen
Wissens dar. Wer logische Widersprüche oder Fehlschlüsse duldet, kann auch durch den besten Erfahrungshorizont kein wahres Weltbild gewinnen.

3. Was wissen wir durch Sinneswahrnehmung?
    Woher weiß ich, dass in meinem Arbeitszimmer momentan ein Schreibtisch steht? Ich weiß dies deshalb, weil ich mithilfe meiner Sinne den Schreibtisch wahrnehme – als einen Gegenstand, der verschiedenen in der Vergangenheit von mir wahrgenommenen und als Schreibtisch bezeichneten Gegenständen in wesentlicher Hinsicht gleicht. Denn erstens sehe ich den Schreibtisch mit meinen Augen; und zweitens fühle ich den Schreibtisch mit meinen Händen. Schon hier zeigt sich aber ein Unterschied: Allein aufgrund der Wahrnehmung meines Sehsinns bin ich mir sicher, dass es sich bei dem Gegenstand, den ich im Blick habe, um einen Schreibtisch handelt; allein aufgrund der Wahrnehmung meines Tastsinns bin ich mir jedoch durchaus nicht sicher, dass es sich bei dem Gegenstand, den ich mit meinen Händen fühle, um einen Schreibtisch handelt. Es könnte sich auch um einen Tisch ganz anderer Art handeln.
    Dieser Unterschied beruht nicht etwa darauf, dass der Gesichtssinn – mein Gesichtssinn oder der menschliche Gesichtssinn überhaupt – generell zuverlässiger ist als der Tastsinn. Der Tatsache, dass der Gegenstand, den ich mit der rechten Hand an meinem linken Unterarm fühle, eine Armbanduhrist, bin ich mir sicher. Andererseits habe ich durchaus Zweifel, ob das Tier, das ich von meinem Schreibtisch aus im nahen Wald neben einem Baum sitzen sehe, ein Hase oder nicht vielmehr eine Katze ist. Gesichtssinn und Tastsinn sind also beide gleicherweise begrenzt.
    Ganz Entsprechendes gilt auch für die übrigen menschlichen Sinne, durch die wir Informationen über die Außenwelt erlangen: den Gehörsinn, den Geruchssinn und den Geschmackssinn. Jeder dieser Sinne kann uns zwar prinzipiell Wahrnehmung ermöglichen und Wissen vermitteln. Doch die einzelnen Sinne sind nicht nur bei verschiedenen Menschen, wie man weiß, unterschiedlich stark ausgebildet. Sie sind auch ganz generell, was ihre Wahrnehmungsfunktion angeht, mehr oder weniger begrenzt: Niemand kann aus einer Entfernung von einem Kilometer eine Katze als solche wahrnehmen; und niemand kann vom Turm des Kölner Doms aus die Nordsee sehen. (Nur unter Heranziehung technischer Hilfsmittel mag dies anders sein.)
    Manche Philosophen sind der Meinung, dass wir mit unseren Sinnen überhaupt keine Gegenstände einer Außenwelt, das heißt einer Welt außerhalb unserer selbst, wahrnehmen können, sondern dass alles, was wir wahrnehmen können, gewisse Sinneseindrücke oder «Sinnesdaten» in uns selbst sind. Doch eine solche Meinung widerspricht nicht nur dem «gesunden Menschenverstand», also jenem Grundverständnis, das jeder Mensch einer gewissen geistigen Entwicklungsstufe über sich und die Welt besitzt. Sie kann auch kaum gewisse Tatsachen erklären, die mit solchen Sinneswahrnehmungen, wie wir sie alle täglich machen, eng verbunden sind.
    Ich meine hier vor allem die Tatsache, dass sich bei uns unter gewissen Bedingungen stets von neuem die gleiche Sinneswahrnehmung einstellt. So habe ich zum Beispiel die visuelle Wahrnehmung eines Schreibtisches jeden Tag von neuem, an dem ich mein Arbeitszimmer betrete. Wie aber lässt sich diese Tatsache erklären? Gibt es eine bessere Erklärung für sie als die Annahme, dass der Schreibtisch genau dort, wo ich ihn immer wieder stehen sehe, auch tatsächlich existiert? Und wenn das so ist, muss ich dann nicht annehmen, dass der Schreibtisch auch nachts, wenn ich ihn
nicht
sehe, ununterbrochen genau dort, wo ich ihn tagsüber immer wieder sehe, existiert? Wäre die Annahme nicht ziemlich phantastisch, dass der Schreibtisch immer nur existiert,
während
ich ihn sehe, dass er
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