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Was ich dir schon immer sagen wollte

Was ich dir schon immer sagen wollte

Titel: Was ich dir schon immer sagen wollte
Autoren: Alice Munro
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Arthurs Abendessen kochen. Arthur wusste nichts von der Torte oder dem Erdnusskrokant oder was es nun war und auch nichts von dem Epsomer Bittersalz. Er dachte, sie hatte ein oder zwei Pfund zugenommen und quälte sich nun durch eine fanatische Diät. Er machte sich Sorgen um sie.
    »Was macht das denn schon aus?«, sagte er jedes Mal zu Et. »Sie wäre doch immer noch schön.«
    »Sie wird sich nichts Ernstes antun«, sagte Et, genoss ihr Essen und freute sich zu sehen, dass die Sorge ihm den Genuss an seinem nicht verdarb. Sie kochte ihm immer etwas Gutes.

    Es war in der Woche vor dem Tag der Arbeit Anfang September. Blaikie war nach Toronto gefahren, für ein oder zwei Tage, hatte er gesagt.
    »Es ist still ohne ihn«, sagte Arthur.
    »Mir ist nie aufgefallen, dass er so gesprächig ist«, sagte Et.
    »Ich meine damit nur, wie man sich an jemanden gewöhnt.«
    »Vielleicht sollten wir ihn uns abgewöhnen«, sagte Et.
    Arthur war unglücklich. Er würde wahrscheinlich nicht an die Schule zurückkehren; er war bis nach Weihnachten beurlaubt worden. Niemand glaubte, dass er dann zurückkehren werde.
    »Ich nehme an, Blaikie hat seine eigenen Pläne für den Winter«, sagte er.
    »Vielleicht hat er seine eigenen Pläne für gleich jetzt. Du weißt, ich habe meine Kundinnen aus dem Hotel. Ich habe meine Freundinnen. Seit ich an dem Ausflug teilgenommen habe, höre ich so einiges.«
    Sie hatte keine Ahnung, woher ihr die Eingebung für das kam, was sie dann sagte. Sie hatte es überhaupt nicht geplant, doch es ging ihr so leicht von der Zunge, so glaubhaft.
    »Wie ich höre, hat er sich mit einer vermögenden Frau im Hotel eingelassen.«
    Arthur interessierte das, Char nicht.
    »Einer Witwe?«
    »Zwei Mal verwitwet, glaube ich. Genau wie er. Und sie hat das Geld von beiden Männern. Es gab seit einiger Zeit Vermutungen, und sie hat offen darüber geredet. Er hat jedoch nichts gesagt. Hat er je was zu dir gesagt, Char?«
    »Nein«, antwortete Char.
    »Ich habe heute Nachmittag gehört, dass nicht nur er weg ist, sondern auch sie. Es wäre nicht das erste Mal, dass er so was geliefert hat. Char und ich können uns daran erinnern.«
    Worauf Arthur wissen wollte, was sie damit meinte, also erzählte sie ihm die Geschichte von der Bauchrednerin, sogar mit den Namen der Puppen, obwohl sie alles über Char wegließ. Char saß das aus, trug sogar ein wenig dazu bei.
    »Vielleicht kommen sie zurück, aber ich vermute mal, dass es ihnen peinlich wäre. Ihm wäre es peinlich. Jedenfalls wäre es ihm peinlich, hierher zu kommen.«
    »Wieso?«, fragte Arthur, den die Geschichte mit der Bauchrednerin ein wenig aufgemuntert hatte. »Wir haben doch nie eine Regel aufgestellt, dass ein Mann nicht heiraten darf.«
    Char stand auf und ging ins Haus. Nach einer Weile hörten sie Klavierklänge.

    Die Frage ging Et in den Jahren danach oft durch den Kopf – was wollte sie mit dieser Geschichte anfangen, wenn Blaikie zurückkam? Denn sie hatte keinen Grund zu der Annahme, dass er nicht zurückkommen würde. Die Antwort war, dass sie überhaupt keine Pläne gemacht hatte. Sie hatte nichts geplant. Sie nahm an, vielleicht wollte sie für Ärger zwischen Char und ihm sorgen – Char dazu bringen, einen Streit mit ihm anzufangen, da ihr Argwohn geweckt war, auch wenn die Gerüchte sich nicht als wahr erwiesen, Char dazu bringen, sich klarzumachen, was er ein weiteres Mal tun konnte, in Anbetracht dessen, was er schon einmal getan hatte. Sie wusste nicht genau, was sie wollte. Einfach Verwirrung stiften, denn sie war damals überzeugt, dass jemand das tun musste, bevor es zu spät war.
    Arthur erholte sich so gut, wie man es in seinem Alter erwarten konnte, unterrichtete wieder Geschichte in der Oberstufe und arbeitete halbtags, bis es für ihn Zeit wurde, in den Ruhestand zu gehen. Et blieb in ihrem eigenen Quartier am Marktplatz und versuchte außerdem noch für Arthur zu kochen und zu putzen. Schließlich, nachdem er im Ruhestand war, zog sie ins Haus zurück und behielt die andere Räumlichkeit nur zu Geschäftszwecken. »Sollen die Leute sich doch das Maul zerreißen, so viel sie wollen«, sagte sie. »In unserem Alter.«
    Arthur lebte immer weiter, obwohl er gebrechlich und langsam war. Einmal am Tag lief er zum Marktplatz hinunter, schaute bei Et vorbei, ging dann und setzte sich in den Park. Das Hotel machte zu und wurde wieder verkauft. Es hieß, dass darin ein Rehabilitationszentrum für Rauschgiftsüchtige untergebracht werden
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