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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H.
Autoren: Thomas Ziegler
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bewachte.
    »Verschwinden Sie, Mann! Das Kino ist ein paar Straßen weiter. Hier gibt’s nichts zu sehen.«
    Markesch spähte an ihm vorbei in die Toreinfahrt. Der Polizist hatte gelogen – es gab jede Menge zu sehen: Im Innenhof drängten sich ein Dutzend Gestalten – Polizisten in Uniform, Sanitäter im weißen Kittel und Kripomänner im Trenchcoat – um einen großen blauen Klumpen, der auf den ersten Blick wie eine besonders mißratene moderne Plastik aussah. Doch auf den zweiten Blick enthüllten sich vage menschliche Umrisse, und da war auch noch das Rot auf dem regenschwarzen Boden, das Rostrot geronnenen Blutes.
    Ma Vadenta hatte recht gehabt. Arupa war tatsächlich verrückt aufs Reinkarnieren – so verrückt, daß er sich mit Gewalt ins nächste Leben befördert hatte.
    Einer der Trenchcoatträger sprang um die Leiche herum und fotografierte sie aus allen nur denkbaren Perspektiven. Im weißen Flackern des Blitzlichtes entdeckte Markesch unter den Kripoleuten ein vertrautes Gesicht.
    »Enke!« rief er. »Was für ein verrückter Zufall!«
    Kriminalkommissar Erike zuckte sichtlich zusammen. Er war ein großer, massiger Mann mit eckigem Kopf, kantigen Gesichtszügen und latenter Gewaltbereitschaft, der jede Weltmeisterschaft im Catchen allein durch sein brutales Äußeres gewinnen konnte. Widerwillig bedeutete er dem Polizisten, Markesch passieren zu lassen, und gab ihm ohne jede Begeisterung die Hand.
    »Gibt es denn keinen Ort in dieser Stadt, wo man vor dir sicher ist?«
    »Irgend etwas führt uns auf magische Weise immer zusammen. Starkes Karma.« Markesch deutete auf den Toten. »Was ist passiert?«
    »Er ist aus dem fünften Stock gesprungen«, erklärte Enke und wies auf ein erleuchtetes offenes Fenster unter dem Dach. »Ist schon ein paar Stunden her, gegen sieben oder acht, meint der Doktor. Die Leiche wurde erst vor einer halben Stunde gefunden, von einem Passanten, der mit seinem Hund Gassi ging. Oder besser gesagt, der Köter hat ihn gefunden.«
    Er lachte rauh.
    »Komisches Haus, in dem die Leute aus dem Fenster hüpfen können, ohne daß die Nachbarn was merken.«
    Markesch starrte Bikshu Arupas Leiche an.
    Tot, dachte er. Aus dem fünften Stock gesprungen. Aber warum? Großer Gott, warum? Er hat mich doch sprechen wollen! Zum Teufel, ein Mensch springt doch nicht einfach aus dem Fenster, nur weil er mich telefonisch nicht erreichen kann!
    »Kennst du ihn?« fragte Enke lauernd. »Oder hat dich wirklich nur der Zufall in diese Straße verschlagen?«
    Markesch zögerte. Wenn er zugab, daß er Arupa gekannt hatte, daß der Sanyit ein wichtiger Zeuge in einem rätselhaften Entführungsfall war, würde er die halbe Nacht im Präsidium am Waidmarkt verbringen und Fragen beantworten müssen, auf die er selbst keine Antworten kannte.
    So sagte er ausweichend: »Häßliche Sache. Warum hat er sich umgebracht? Und dann noch auf diese Weise?«
    »Nichts für Leute mit Höhenangst«, sagte Enke, ohne seine lauernden Blicke von Markesch zu wenden. »Vielleicht war’s gar kein Selbstmord; vielleicht war’s ein Unfall. Wir haben den Springer in unseren Akten – Matthias Gronewold, obwohl er sich neuerdings Bikshu Arupa nannte. Vor zwei Jahren wurde er beim Dealen erwischt – mit genug Heroin, um ihn für fünf Jahre hinter Gitter zu bringen.«
    Enkes Miene verdüsterte sich.
    »Aber die Ratte hatte einen guten Anwalt und der Richter verurteilte ihn nur zu einer Therapie bei Clean Life. Schon mal gehört? Die amerikanische Methode – Entzug ohne Medikamente, Arbeiten bis zum Umfallen und ein Haufen schmutziger Psychotricks, die harte Tour. Aber offenbar nicht hart genug. Ich bin ja schon immer gegen Therapie statt Knast gewesen. Im Knast wäre er garantiert nicht aus dem Fenster gesprungen.«
    »Klingt einleuchtend.« Markesch nagte an seiner Unterlippe. »Du glaubst, daß er wieder Drogen genommen hat? Daß er deshalb gesprungen oder im Heroinrausch aus dem Fenster gefallen ist?«
    »Das werden wir nach der Autopsie wissen. In seiner Wohnung haben wir jedenfalls nichts gefunden. Kein Heroin, kein Fixerbesteck. Allerdings auch keinen Abschiedsbrief. Die meisten Selbstmörder schreiben Abschiedsbriefe. Das ist eine richtige Angewohnheit bei denen.« Enke rieb sich das kantige Kinn. »Aber du hast mir noch immer nicht gesagt, was dich in diese Gegend geführt hat.«
    »Mein Instinkt«, log Markesch unverfroren. »Mein Instinkt hat mir verraten, daß ich dich hier finden werde. Du hast Informationen
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