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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H.
Autoren: Thomas Ziegler
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Bastard! So also soll das laufen – ich werde mit einem fetten Scheck abserviert, der alte Oberst wird mit Spritzen ruhiggestellt und du steckst dir die Viertelmillion in die Tasche! Und Angelika – ja, was wird aus Angelika Hilling?
    Er schmetterte den Hörer auf die Gabel, griff nach der angebrochenen Scotchflasche und stürmte hinaus in die stürmische Nacht. Sophie rief ihm irgend etwas nach, aber er hatte weder die Zeit noch die Geduld, um genau hinzuhören.
    Bikshu Arupa! dachte er. Du wolltest mich sprechen? Okay, ich komme, Gemüsesaftmixer, aber dein Guru stehe dir bei, wenn du mir diesmal nicht die ganze Wahrheit sagst!

 
11
     
    Das Restaurant Löwenzahn war wie eine stille lichte Insel im sturmgepeitschten Meer der Nacht, ein friedliches, harmonisches Biotop, in dem die schrägen Vögel des Belgischen Viertels nisteten und zu den Sphärenklängen der New-Age-Musik ihre Vollwertkörner pickten. Markesch platzte wie eine Planierraupe in diese Idylle, vom Regen durchweicht, vom Sturm zerzaust und mit Mordlust in den blutunterlaufenen Augen, aber Bikshu Arupa war nirgendwo zu sehen. Er stierte die Müslis an, die am großen Ecktisch ein wüstes Zechgelage mit diversen Gemüsesaftcocktails veranstalteten, die himmelblau uniformierten Sanyiten, die an den anderen Tischen selig lächelnd vor sich hin meditierten, und stiefelte dann zum Tresen, hinter dem das blonde Pummelchen aus der Diskothek Krishna stand und ein paar Kilo Karotten durch die Saftpresse jagte.
    »Pa Markesch! Was für eine kosmische Freude!« rief Ma Vadenta euphorisch und winkte mit einer besonders langen Karotte, als hätte sie soeben Sigmund Freuds Abhandlung über die Phallussymbolik gelesen. »Noch immer auf der Suche nach deiner Seelenpartnerin?«
    »Diesmal auf der Suche nach Bikshu Arupa«, knurrte er. »Wo steckt dieser falsche Säulenheilige?«
    »Hier nicht. Er hat heute frei.« Ma Vadenta schob die Karotte in die Presse und sah zu, wie sie versaftet wurde. »Warum setzt du dich nicht und trinkst ein Glas Gemüsesaft? Um zehn mach’ ich Schluß. Wir könnten dann zu mir gehen und unsere Körper der Göttin Aphrodite weihen. Ich bin wahnsinnig gut im Weihen. Das kann dir jeder bestätigen.«
    »Klingt ungeheuer verlockend, aber ich habe gelobt, nur dem Gott Scotch zu dienen. Zumindest, bis ich Arupa gefunden habe. Weißt du, wo er ist?«
    Ma Vadenta seufzte enttäuscht und schickte die nächste wehrlose Karotte durch die Saftpresse. »Versuch’s mal bei ihm zu Hause, in der Lütticher Straße. Wenn er nicht zu Hause ist, findest du ihn wahrscheinlich im Aschram. Freitags wird im Aschram immer reinkarniert, und das läßt sich Arupa bestimmt nicht entgehen. Er ist ganz verrückt aufs Reinkarnieren.«
    »Heißen Dank«, sagte Markesch und warf ihr eine Kußhand zu. »Wir sehen uns! Wenn nicht in diesem, dann bestimmt im nächsten Leben!«
    Er stiefelte nach draußen. Der Sturm empfing ihn mit höllischem Brausen und stemmte sich seinen Schritten wie eine Wand aus zähem Schlamm entgegen. Aus allen Himmelsrichtungen drang das panische Sirenengeheul Dutzender Polizei- und Feuerwehrwagen, als wäre der Dritte Weltkrieg ausgebrochen, und irgendwo hinter ihm fielen kiloschwere Dachpfannen von den Häusern und zerplatzten wie Splitterbomben auf der Straße.
    Er machte, daß er weiterkam, und bedauerte, daß er keine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, aber welcher normale Mensch versicherte sich schon gegen das Leben, wenn er sich nicht einmal eine Sterbeversicherung gegen den Tod leisten konnte? Endlich, nach Stunden wie ihm schien, bog er, erschöpft wie nach einem Dreißig-Kilometer-Marsch, in die Lütticher Straße ein, und seine Versicherungsprobleme bekamen eine ganz neue Dimension.
    Vor Arupas Haus standen zwei Streifen- und ein Krankenwagen mit flackerndem Blaulicht, umringt von der üblichen Hundertschaft der Gaffer und Herumtreiber, die sich bei jeder halbwegs interessanten Katastrophe einzufinden pflegten.
    Arupa! dachte er.
    Er begann zu laufen, obwohl er fast sicher war, daß er zu spät kommen würde.
    Er drängte sich durch die Schaulustigen, hauptsächlich Sanyiten aus der Nachbarschaft, die ihr erleuchtetes Lächeln ausgeknipst hatten und so bekümmert dreinblickten, als hätten sie soeben erfahren, daß sie im nächsten Leben ein Dasein als Zahnbürste oder Wanze erwartete, und wurde dann von der gebieterischen Miene eines bulligen Polizisten gestoppt, der die dunkle Toreinfahrt zu Arupas Haus
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