Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund

Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund

Titel: Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
Autoren: Nina Ruge , Guenther Bloch
Vom Netzwerk:
ist längst kein Indikator mehr für unberührte Wildnis. Vielmehr hat sich der Wolf als Kulturfolger des Menschen bestens in dessen Nähe eingerichtet. In unserem Studiengebiet, dem Bowtal im Banff Nationalpark, herrscht saisonbedingt Massentoursimus. Hier halten sich auf einer Fläche von etwa fünfhundert Quadratkilometern pro Jahr bis zu vier Millionen Menschen auf. Die hier beheimateten Wölfe haben sich dieser Situation angepasst und verhalten sich daher kaum scheu.
    Als meine Frau Karin und ich 1991 in den kanadischen Rocky Mountains damit begonnen haben, das Sozialverhalten von Timberwölfen in freier Wildbahn zu dokumentieren, wurde uns schlagartig bewusst, warum der Mensch in grauer Vorzeit ausgerechnet dieses Raubtier allen anderen Spezies vorzog und den Wolf schließlich domestizierte. Wir erkannten schnell, dass die soziale Organisation von uns Menschen viele Verhaltensähnlichkeiten zum Wolf aufweist. Schließlich sind auch wir irgendwie »Rudeltiere« geblieben. Wir leben in Familienverbänden, erziehen unseren Nachwuchs zur Selbstständigkeit und entlassen ihn in die Freiheit, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
    Wenn wir gefragt werden, was uns ausgerechnet an Wölfen so fasziniert, fällt uns die Antwort daher nicht schwer: Es ist das gruppenorientierte Familienleben dieser Spezies, das uns ebenso beeindruckt wie wohl einst unsere urzeitlichen Ahnen.
    Wer weiß, vielleicht diente ihnen der Wolf sogar als nachahmenswertes Vorbild in Sachen gegenseitige Verständigung.
    Schließlich sind Wölfe ausgesprochen mitteilungsbedürftig. Je klarer die visuellen, vokalen, chemischen und taktilen Signale innerhalb einer Gruppe sind, desto schneller und präziser läuft die Kommunikation.
    Das Leben von Wölfen in freier Wildbahn ähnelt dem unseren mehr, als man denkt.
    »BRÜDER« IM GEISTE
    Vermutlich liegen die gemeinsamen Wurzeln von Mensch und Hund in unserem Hang zur Geselligkeit begründet. Mehr noch: Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass in Wolfsfamilien sogar ethischmoralische Werte, wie etwa gegenseitige Rücksichtnahme und Empathie, eine große Rolle spielen. Manche Wissenschaftler gehen daher sogar davon aus, dass der Mensch, der einst in sehr überschaubaren, kleinen Gruppenverbänden lebte, überhaupt erst durch genaues Beobachten der Wölfe gelernt hat, wie man am effektivsten ein auf ethisch-moralischen Werten basierendes Zusammenleben organisiert. Und es gibt noch mehr Ähnlichkeiten: Unsere jahrzehntelangen Freilandforschungen belegen immer wieder, dass Wölfe wahre Meister darin sind, gemeinsam ein Revier zu verteidigen, in Gefahrensituationen füreinander einzustehen und Ressourcen jeglicher Art zu teilen. Selbst dann, wenn sie zum Wohle des Kollektivs auf individuelle Vorteile verzichten müssen. Wölfe sind soziale, territoriale und in Gruppen koordiniert jagende Jäger. Und genau hier liegen die unübersehbaren Parallelen zum Menschen. Ich persönlich würde sogar so weit gehen, Mensch, Wolf und Haushunde als wahre »Seelenverwandte« zu bezeichnen. Schließlich sind wir alle hoch soziale Geschöpfe. Gerade wir Menschen könnten, wenn wir ehrlich sind, alleine gar nicht überleben. Wir sind aufeinander angewiesen. Letztlich besetzen wir allesamt ein Revier und verteidigen es gegenüber fremden Eindringlingen. Auch wenn wir heutzutage unser Fleisch in kleinen Portionen säuberlich verpackt im Supermarkt kaufen, sind wir trotzdem Jäger geblieben.
    Das fällt mir besonders bei meiner täglichen Arbeit auf, wenn ich mit Filmkamera und Fotoapparat »bewaffnet« losziehe, um wieder ein paar Wölfe zu »jagen«. Bei jedem Versuch, mich heranzupirschen, steigt mein Adrealinspiegel, und ein »Treffer« mit der Kamera endet in einer inneren Befriedigung, die ich um nichts in der Welt eintauschen würde. Ja, ich bin ein Jäger.
    Kurze Zwischenbilanz: Unsere Gemeinsamkeiten mit dem Wolf sind schlichtweg verblüffend, oder nicht?
    Neben diesen verhaltensbiologischen Grundsätzlichkeiten waren es sicherlich auch sozioemotionale Beweggründe, die Mensch und Wolf einander näherbrachten. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie könnten wie meine Frau und ich in regelmäßigen Abständen hautnah miterleben, wie verletzten Familienmitgliedern in einer Wolfsfamilie uneigennützige Fürsorge zuteil wird. Wie bei der gemeinsamen Aufzucht des Nachwuchses beteiligen sich alle Gruppenmitglieder an dieser Aktion – unabhängig vom Alter oder sozialen Rang.
    Einmal mehr steht die Gemeinsamkeit im Vordergrund
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher