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Was Die Liebe Naehrt

Was Die Liebe Naehrt

Titel: Was Die Liebe Naehrt
Autoren: Anselm Gruen
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Doch nun spürten sie, dass sie ihre christlichen Wurzelnwieder entdecken
     sollten. Ein Therapeut gab dann aus seiner Praxiserfahrung eine interessante Beobachtung wieder: Manche seiner Klienten, die allzu sehr vom Einswerden und
     Verschmelzen mit dem Göttlichen schwärmten, würden damit nur ihre Beziehungsunfähigkeit religiös überhöhen. Sein Fazit: Sie sind nicht bereit, ihre
     Beziehungsunfähigkeit zu betrauern. Denn das Betrauern führt immer durch den Schmerz in den Grund der Seele. Doch diesem Schmerz wollten sie ausweichen,
     indem sie ihre Beziehungslosigkeit mit einem spirituellen Weg kompensiert haben. Die Kompensation verwandelt uns aber nicht. Sie hilft uns nicht, unsere
     Beziehungsunfähigkeit zu heilen oder mit ihr besser umzugehen. Sie ist eine Flucht vor der eigenen Not. Das Muster ist: Ich möchte mein Leiden an meiner
     Beziehungslosigkeit nicht eingestehen. Deshalb überspringe ich sie, indem ich mir vorstelle, ich sei schon eins mit Gott, ich würde mit ihm
     verschmelzen. Die Konsequenz ist dann nicht selten: Ich stelle mich mit dieser Vorstellung über die anderen. Ich verachte letztlich die, die die Beziehung
     zum Ehepartner oder zur Freundin nötig haben. Ich habe mich spirituell über diese Bedürftigkeit erhoben. Doch das Verschmelzen mit dem Göttlichen löst
     auch mein eigenes Personsein auf. Peter Schellenbaum warnt – im Einklang mit C. G. Jung – vor diesen ozeanischen Verschmelzungsgefühlen. Sie tun dem
     Menschen nicht gut. Statt an seinem Personsein zu arbeiten, lösen sich die Menschen in solchen Gefühlen auf und verlieren ihre eigene Identität. Oder sie
     machen daraus eine Ideologie, indem sie sagen: Es gibt kein Personsein. Wenn ich mit Gott eins werde, gibt es nur das reine Sein.
    Ich halte das für gefährlich. Die Frage nach dem Gottesbild und seinem Zusammenhang mit dem Menschenbild ist also nur auf den ersten
     Blick abstrakt. Weil sie so weitreichende Konsequenzen hat, soll ihr im Folgenden etwas ausführlicher nachgegangen werden. Mit ihrer Klärung kann manches
     verdeutlicht werden, was für das Verständnis spirituellen Lebens und auch für die spirituelle Deutung von Beziehungen wichtig und folgenreich ist.
Das apersonale Gottesbild
    Viele Menschen, die im Bereich der buddhistisch geprägten Spiritualität gesucht haben, sprechen heute vom apersonalen Gottesbild. Gott
     ist für sie Energie. Er ist Liebe, Schwingung, das Feld, in dem ich lebe. Wenn ich im Folgenden vom apersonalen Gottesbild spreche, heißt das nicht, dass
     das keine Berechtigung hätte oder aus christlicher Sicht falsch wäre. Im Gegenteil: Eine solche Rede vom apersonalen Gott hat durchaus eine
     Berechtigung. Gott ist die Einheit aller Gegensätze. Er ist persönlich und überpersönlich, apersonal und transpersonal, aber zugleich ein
     Du, das mir gegenübersteht, das mich anspricht und herausfordert. In der christlichen Tradition haben wir vom Personsein Gottes manchmal so konkret
     gesprochen, dass wir ihn mit einer menschlichen Persönlichkeit verwechselt haben. Wenn manche sagen, wir hätten Gott zu Unrecht personifiziert, dann
     meinen sie eigentlich: Wir haben ihn vermenschlicht und mit einer menschlichen Person verwechselt. Ken Wilber spricht für viele, wenn erden Glauben an einen persönlichen Gott als eine Vorstufe zur eigentlichen Spiritualität ansieht und meint, »dass der Glaube an einen
     persönlichen Gott, der sich meiner Ego-Wünsche annimmt, wohl doch nicht so ganz gerechtfertigt ist; nichts spricht auf überzeugende Weise dafür, und
     jedenfalls kann man sich nicht darauf verlassen«. In einem solchen Verständnis, wie es in dem Wilber-Zitat deutlich ist, wird der persönliche Gott wie ein
     Mensch gesehen, an den wir uns wenden, damit er unsere egoistischen Wünsche erfüllt. Doch wenn Jesus von Gott als dem Vater spricht, meint er nicht diesen
     Gott, der die Ego-Wünsche erfüllt. Wir sollen zu diesem Gott vielmehr im Namen Jesu beten. Wir sollen unseren Egoismus loslassen. Das Beten zu Gott als
     einem väterlichen Du ist etwas anderes, als wenn jemand Gott zu benutzen versucht, um seine Wünsche durchzusetzen. Jesus spricht vom Du Gottes. Aber
     dieses Du dürfen wir uns nicht zu konkret wie einen gutmütigen alten Vater vorstellen. Wer das tut, wird Schwierigkeiten haben, dieses Gottesbild mit den
     Realitäten des Lebens in Verbindung zu bringen. Das Bild von einem guten Vater bringen wir nicht zusammen mit dem Tod eines unschuldigen Kindes oder dem
    
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