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Was Die Liebe Naehrt

Was Die Liebe Naehrt

Titel: Was Die Liebe Naehrt
Autoren: Anselm Gruen
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bezogen.

Klärung im Dialog der Religionen
Was ist Ziel des Menschseins?
    Heute, im Dialog mit den Weltreligionen, geht es darum: Die Kultur des Personalen und die Kultur der Interpersonalität, die die
     jüdische und christliche Spiritualität entfaltet haben, sollte im Blick auf die Beziehungsfähigkeit des Menschen neu bedacht werden. Die theologischen
     Auseinandersetzungen der Kirchenväter sind hier von bleibender Aktualität. Denn sowohl die Antike als auch der Buddhismus verstehen den Menschen als das
     Individuum, in dem sich der Geist, das Allgemeine vereinzelt. Der griechischen Philosophie geht es nicht um die Person, sondern um das Individuum, und
     auch der Buddhismus betont das allgemeine Sein. Das Ziel des Menschen ist demnach: sein Personsein aufzugeben und reines Sein zu werden, aufzugehen im
     Göttlichen. Im Dialog zwischen der buddhistischen und christlichen Mystik sehen wir genau hier einen zentralen Unterschied.
    Auch der christlichen Mystik geht es um das Einswerden mit Gott. Aber in diesem Einswerden ist zugleich die Unterschiedenheit der Personen zu
     bedenken. Der Mensch wird mit Gott eins, so wie die theologische Tradition es von der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur in Jesus beschrieben
     hat: »unvermischt und ungetrennt«. Aber wir verschmelzen nicht mit Gott und vermischenuns nicht mit ihm. Wir bleiben immer auch die
     Menschen, die mit Gott eins werden. Daher hat die christliche Mystik das Einswerden des Menschen mit Gott immer mit dem Einswerden von Mann und Frau
     verglichen, die ganz und gar eins werden und doch immer auch sie selber bleiben, die in der Ekstase der Liebe sich selbst überschreiten und sich im
     Einswerden als sie selbst und zugleich als Einheit neu erleben.
    Wie können wir heute – im Blick auf die kurz skizzierten Konzepte – den Personbegriff verstehen? Im Tod des einzelnen Menschen befreit sich nach der
     antiken Philosophie – wie der Philosoph Max Müller das beschrieben hat – der Geist wieder aus der Materie »zu seiner grundsätzlichen Allgemeinheit,
     uneingeschränkten Ganzheit, Absolutheit und Göttlichkeit«. Für den christlichen Glauben aber, der den Menschen als Person mit einer unantastbaren Würde
     sieht, bleibt der Mensch auch nach dem Tod Person. Im Tod löst sich die Person nicht auf. Sie wird eins mit Gott. Personsein heißt in diesem Verständnis:
     von Gott angerufen sein. Der Mensch ist also nicht in erster Linie der Ort, an dem Gott sich ausdrückt, sondern eine Person, die von Gott angesprochen und
     gerufen wird, ein Gegenüber Gottes, das sich danach sehnt, mit diesem Gott, der es anspricht, eins zu werden.
Östliche Positionen
    Vertreter des Buddhismus sehen in dieser christlichen Sicht eine individualistische Egozentrik. Dieser Vorwurf ist ernst zu nehmen. Es
     gibt ja die Gefahr, dass die Person sich als absolut begreift und nur um sich kreist. Das Gewissen zeigt jedoch dem Menschen, dass er von seinem Wesen her
     immer auf andere Menschen und auf Gott bezogen ist. Wer die Person verabsolutiert, der erliegt in der Tat der Gefahr, die der Buddhismus im christlichen
     Personbegriff sieht. Insofern ist der Dialog mit dem Buddhismus durchaus eine Hilfe, das Wesen des Personseins heute neu zu beschreiben.
    Die Frage ist, ob die östliche und die westliche Auffassung nur konträr zueinander sind, oder ob wir, ohne das Eigene aufzugeben, für unser
     Personverständnis von der ganz anderen Philosophie Asiens etwas lernen können. Der vergleichende Religionswissenschaftler Hans-Joachim Klimkeit bringt in
     einer Gegenüberstellung von asiatischem Verständnis des Menschen und personaler Philosophie des Westens zunächst einmal das Unterscheidende auf den Punkt:
     »Einem Buddhisten, der keinen personalen Gott kennt, ist die Begegnung mit einem Du ebenso wenig konstitutiv für seine Selbstverwirklichung wie die
     westliche Idee der Person für ihn bedeutsam ist. Gilt doch die Personalität für ihn von Hause aus als Zeichen der Unerlöstheit.«
    Bevor wir nach den Konsequenzen dieser Auffassung fragen, ist zunächst im Sinne einer Differenzierung festzuhalten, dass selbstverständlich auch der
     Osten ein Verständnis für den Wert des einzelnen Menschen hat. Derchinesischen Philosophie des Taoismus geht es um den edlen
     Menschen. Der aber, so Klimkeit, »handelt gerade nicht im Gegenüber zu einem Du, sondern aus der eigenen Mitte heraus, und er sieht die Erfüllung seines
     Menschseins in der Findung einer solchen
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