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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah
Autoren: Malcolm Gladwell
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sonderliche Hilfestellung ist. Islamistische Terroristen sind keinen Deut leichter zu identifizieren. Muslime sind keine Amish, die schon von Weitem an ihrer Tracht zu erkennen sind. Sie sind auch keine Basketballspieler, die man schon der Körpergröße ausmacht. Der Islam ist eine weltumspannende Religion.
    »Wir haben eine Regelung, die Profilerstellungen nach Herkunft und Hautfarbe verbietet«, erklärte mir New Yorks Polizeichef Raymond Kelly. »Die habe ich sofort nach meiner Ernennung eingeführt. Profiling nach Hautfarbe ist nicht nur falsch, es ist außerdem sinnlos. Nehmen wir die Attentate in London. Die Täter waren drei englische Staatsbürger pakistanischer Herkunft. Germaine Lindsay ist Jamaikaner. Die Täter vom 21. Juli waren Ostafrikaner. Die Frau, die sich Anfang 2004 in der Moskauer U-Bahn in die Luft gesprengt hat, war Tschetschenin. Nach wem sollen wir suchen? Nehmen wir New York City - 40 Prozent aller New Yorker sind im Ausland zur Welt gekommen. Schauen Sie sich diese Vielfalt an. Nach wem soll ich da suchen?«
    Was Kelly beschrieb, könnte man als das »Kategorienproblem« der Profilerstellung bezeichnen. Verallgemeinerung bedeutet, eine Gruppe von Personen mit einer bestimmten Verhaltensweise oder Eigenschaft zu gleichzusetzen: übergewichtige Männer mittleren Alters mit Herzinfarktrisiko, junge Männer mit einer riskanten Fahrweise. Damit diese Gleichsetzungen funktionieren, müssen wir in der Lage sein, die Kategorie, in der wir verallgemeinern wollen, genau zu identifizieren und zu definieren. »Meinen Sie, die Terroristen wissen nicht, wie leicht sie an ihrer Herkunft zu erkennen sind?«, fragte Kelly. »Nehmen Sie die Attentäter der 11. September. Sie sind hierher gekommen, haben sich den Bart abgenommen und sind in Striplokale gegangen. Sie wollten in der Menge untergehen und so aussehen, als wären sie Teil des amerikanischen Traums. Die sind nicht dumm. Könnte sich ein Terrorist als orthodoxer Jude verkleiden und unerkannt U-Bahn fahren? Natürlich. Deswegen sind diese Profile Blödsinn.«
3.
    Auch das Kampfhundeverbot hat sein Kategorienproblem, denn bei Kampfhunden handelt es sich nicht um eine bestimmte Rasse. Der Name dient als Oberbegriff für eine Reihe verwandter Rassen, unter den beispielsweise der American Staffordshire Terrier, der Staffordshire Bullterrier oder der American Pitbull Terrier fallen. Diese Hunderassen zeichnen sich durch eine gedrungene, muskulöse Statur, eine kurze Schnauze und einen schlanken, kurzhaarigen Körper aus. Das Kampfhundeverbot in Ontario verbietet nicht nur diese drei Rassen, sondern alle Hunde »mit einer signifikant ähnlichen Erscheinung und ähnlichen physischen Eigenschaften«. Aber was heißt das? Ist eine Kreuzung aus einem Pitbull Terrier und einem Golden Retriever eher ein Pitbull oder eher ein Golden Retriever? Wenn die Gleichsetzung von muskulösen Terriern und Kampfhunden eine Verallgemeinerung darstellt, dann ist die Gleichsetzung von kampfhundeähnlichen und gefährlichen Hunden die Verallgemeinerung einer Verallgemeinerung. »Die Definition von ›Kampfhund‹ in diesen Gesetzen ist vollkommen willkürlich«, sagt Lora Brashears, Hundezüchterin aus Pennsylvania. »Und für die meisten Leute bedeutet es einfach nur großer, böser Hund, der beißt.«
    Den Kampfhundegesetzen geht es natürlich nicht darum, alle Hunde zu verbieten, die aussehen wie Kampfhunde. Das Aussehen steht für den Charakter des Kampfhunds, den diese Rassen gemeinsam haben. Aber auch dieser Charakter ist gar nicht so einfach zu fassen. Die vermeintlich problematischen Eigenschaften der Kampfhunde - ihre Angriffslust, ihre Entschlossenheit und ihre Schmerzunempfindlichkeit - richten sich vorrangig gegen andere Hunde. Kampfhunde sind nicht auf den Kampf mit Menschen gezüchtet. Im Gegenteil: Tiere, die Zuschauer, Trainer, Züchter oder andere an der Kampfhundezucht beteiligte Menschen anfielen, wurden in der Regel getötet. (In der Kampfhundeszene galt das Gesetz »Menschenfresser sterben.«)
    Eine Gesellschaft mit dem Namen American Temperament Test Society hat 25 000 Hunde einem zehnteiligen Standardtest unterzogen, um die Festigkeit, Zurückhaltung, Aggression und Freundlichkeit gegenüber Menschen zu überprüfen. Ein Hundeführer nimmt den Hund an eine zwei Meter lange Leine und testet, wie das Tier auf Reize wie einen Pistolenschuss, einen sich öffnenden Regenschirm oder einen merkwürdig gekleideten und bedrohlich näher kommenden Fremden reagiert.
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