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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah
Autoren: Malcolm Gladwell
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seine Mitarbeiter ein flexibles Team bilden, dass sie anpassungsfähig und innovativ sind, und dass sie in wechselnden Gruppen ohne Hierarchien und Bürokratie zusammenarbeiten. In diesem Arbeitsumfeld, dass ein wenig an ein Fitnessstudio erinnert, spielt die Persönlichkeit eine sehr große Rolle.
    Das ist es auch, was die New Economy so attraktiv macht. Die Lagerhalle von Tellme ist produktiver, und die Arbeit hier macht mehr Spaß als in den Legebatterien des alten IBM. Doch es wäre nicht ganz ungefährlich, wenn wir uns durch die neuerdings so wichtigen persönlichen Details ablenken ließen. Wenn wir uns beim Einstellungsprozess durch Sympathie leiten lassen - ein nicht weiter definierbares, irrationales Gefühl, das durch den Zuschreibungsfehler noch verstärkt wird -, dann hat das nur den Effekt, dass wir die alten Seilschaften durch neue ersetzen, mit dem Unterschied, dass wir heute nicht mehr unsere Neffen und Nichten einstellen, sondern die Person, deren Händedruck uns am meisten beeindruckt hat. Auf diese Weise wird nur eine offensichtliche durch eine nicht mehr ganz so offensichtliche Willkürentscheidung ersetzt.
    Myers war in seinem letzten Jahr an der Universität Tutor für die Einführung in die Computerwissenschaften. Dabei stellte er fest, dass viele Studierenden den Kurs belegten, weil sie in der Softwareindustrie arbeiten wollten. »Nach all diesen Vorstellungsgespräch hatte ich ein bisschen Erfahrung, die ich weitergeben konnte. Es erfordert einiges an Fähigkeiten und Geschick, sich den potenziellen Arbeitgebern präsentieren. Also haben wir im Tutorium auch darüber gesprochen, was Arbeitgeber wollen, vor allem welche persönlichen Eigenschaften sie suchen. Mit das Wichtigste ist, dass man Selbstbewusstsein vermittelt.
    Und wie schafft man das? Deutlich sprechen und lächeln.« Bei diesen Worten lächelte Nolan Myers. »Viele haben richtig Schwierigkeiten, das zu lernen. Mir scheint es irgendwie leicht zu fallen.«
    29. Mai 2000

Störenfriede
Was uns Kampfhunde über Verbrechen lehren
1.
    An einem sonnigen Winternachmittag holte Guy Glairoux seinen zweieinhalbjährigen Sohn Jayden aus dem Kindergarten ab und ging zu Fuß zurück zum Haus der Familie im Westend von Ottawa in der kanadischen Provinz Ontario. Sie waren schon fast zu Hause. Jayden stolperte hinter seinem Vater her, als ein Kampfhund über einen Zaun sprang und über Jayden herfiel. »Der Hund hatte Jaydens Kopf im Maul und schüttelte ihn hin und her«, berichtete Clairoux’ Frau Jo- Ann Hartley später. Während sie starr vor Schreck zusah, sprangen zwei weitere Kampfhunde über den Zaun und attackierten den Jungen ebenfalls. Sie und Clairoux rannten herbei, und er schlug dem ersten Hund auf den Kopf, bis er Jayden losließ, dann warf er der Mutter den Jungen zu. Hartley warf sich über ihren Sohn und beschützte ihn mit ihrem Körper. »Jo-Ann!«, schrie Clairoux, doch schon stürzten sich alle drei Hunde auf die Frau. »Dein Hals, schütz deinen Hals!« Eine Nachbarin, die das Ganze vom Fenster aus beobachtete, schrie um Hilfe. Ihr Lebensgefährte und ein Freund, Mario Gauthier, rannten nach draußen. Ein Nachbarsjunge warf Gauthier seinen Eishockeyschläger zu. Der drosch so lange auf den Kopf eines der Hunde ein, bis der Stock zerbrach. »Die haben einfach nicht aufgehört«, sagte Gauthier. »Sobald ich nicht mehr geschlagen habe, hat er wieder angegriffen. Ich habe noch nie einen so wilden Hund gesehen.« Die Polizei kam. Die Hunde wurden weggezerrt, die Clairouxes und einer ihrer Retter wurden ins Krankenhaus gebracht. Fünf Tage später verabschiedete das Parlament von Ontario ein Gesetz, das den Besitz von Kampfhunden verbot. Oberstaatsanwalt Michael Bryant sagte: »Genau wie wir keinen Weißen Hai in einem Swimmingpool aussetzen, sollten wir diese Tiere auch nicht auf unsere zivilisierten Straßen loslassen.«
    Kampfhunde, die Nachfahren der Bullenbeißer des 19. Jahrhunderts, wurden auf Angriffslust gezüchtet und haben eine niedrige Aggressionsschwelle. Die meisten Hunde kämpfen nur, wenn Starren und Knurren nicht wirken und ihnen keine andere Möglichkeit mehr bleibt. Kampfhunde attackieren auch ohne jede Provokation. Sie sind unempfindlich gegen Schmerzen und können deshalb bis zur Erschöpfung kämpfen. Wachhunde wie etwa der deutsche Schäferhund beißen Eindringlinge und halten sie fest, doch Kampfhunde versuchen, ihrem Gegner ein Maximum an Verletzungen beizubringen. Sie beißen, halten, schütteln und
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