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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah
Autoren: Malcolm Gladwell
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84 Prozent der teilnehmenden Kampfhunde bestanden den Test, womit sie besser abschnitten als Beagles, Airedale-Terrier, Collies und die meisten Dackelarten. »Wir haben rund eintausend Kampfhunde überprüft«, sagt Carl Herkstroeter vom ATTS. »Davon habe ich allein die Hälfte getestet. Nur einen habe ich wegen aggressiver Tendenzen disqualifiziert. Sie haben extrem gut abgeschnitten. Sie haben ein ausgeglichenes Temperament und können gut mit Kindern umgehen.« Man könnte behaupten, dass genau die Eigenschaften, die den Kampfhund gegenüber anderen Hunden so aggressiv machen, dafür sorgen, dass er in Gegenwart von Menschen so umgänglich ist. »Kampfhunde werden oft in der Therapie eingesetzt«, erklärt die Autorin Vicki Hearne. »Durch ihre Robustheit und Entschlossenheit eignen sie sich ausgezeichnet für die Arbeit mit Menschen, denen unruhige Hunde nicht liegen. Kampfhunde trösten genauso entschlossen, wie sie kämpfen. Und weil sie keine Angst haben, können sie zu allen Menschen freundlich sein.«
    Welches sind also die Kampfhunde, die Ärger machen? »Die aggressiven Kampfhunde, die der Gesetzgeber meint, sind durch Züchtung, durch Training oder durch ihre Besitzer aggressiv geworden«, sagt Herkstroeter. Aggressive Kampfhunde entstehen durch Kreuzungen mit größeren Rassen wie dem Schäferhund oder dem Rottweiler, die sich Menschen gegenüber aggressiv verhalten, oder sie wurden so behandelt, dass sie schließlich auch dem Menschen gegenüber aggressiv werden. Ein Kampfhund ist also insoweit eine Gefahr für den Menschen, als er von den Eigenschaften des Kampfhunds abweicht. Ein Kampfhundeverbot ist die Verallgemeinerung einer Verallgemeinerung einer Eigenschaft, die in Wirklichkeit gar nicht allgemein auftritt. Genau das ist das Kategorienproblem.
4.
    Wenn man sich die Verbrechensstatistik von New York City ansieht, fällt auf, dass die Zahl der Verbrechen nach dem deutlichen und in der Presse breit dargestellten Rückgang der Kriminalität Mitte der neunziger Jahre konstant weiter zurückging. Zwischen 2004 und 2006 nahm die Zahl der Morde beispielsweise um fast 10, die Zahl der Vergewaltigungen um 12 und die Zahl der Einbruchdiebstähle um 18 Prozent ab. Um willkürlich eine weitere Zahl herauszugreifen, im Jahr 2005 sank die Zahl der Autodiebstähle um 11,8 Prozent. In einer Liste von 240 amerikanischen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern rangiert New York City mit seiner Verbrechensquote heute auf Rang 122, gleichauf mit Kleinstädten wie Fontana in Kalifornien und Port St. Lucie in Florida. In den neunziger Jahren wurde die Abnahme der Kriminalität auf die offensichtlichen Umwälzungen im städtischen Leben und der Regierung zurückgeführt, beispielsweise den Rückgang des Drogenhandels oder die Verbürgerlichung von Brooklyn. Doch diese Entwicklungen liegen mehr als ein Jahrzehnt zurück. Warum sinkt die Verbrechensrate noch immer?
    Die Erklärung könnte mit einer Veränderung der Polizeistrategie zusammenhängen. Auf einer Computerkarte kann die New Yorker Polizei in Echtzeit verfolgen, wo schwere Verbrechen gemeldet werden. In der Regel sind einige Dutzend Hotspots zu erkennen, von denen einige nicht mehr als zwei oder drei Straßenzüge umfassen. Unter Polizeichef Kelly hat die Polizei mithilfe dieser Karte Problemgebiete identifiziert; dorthin werden frischgebackene Beamte geschickt, die früher gleichmäßig über die Stadt verteilt wurden. Auf diese Weise wird die Polizeipräsenz in den Problemgebieten fast verdoppelt. »Zwei Drittel der Absolventen werden erfahrenen Offizieren unterstellt und auf diese Gebiete verteilt«, erklärte Kelly. »In diesen Regionen ist die Verbrechensrate um durchschnittlich 35 Prozent zurückgegangen.«
    Jahrelang gingen Experten davon aus, dass die Zahl der Gewaltverbrechen nichts mit der Polizeipräsenz zu tun hat - Auslöser seien Armut, psychische Probleme und eine gestörte Kultur sowie spontane Motive und Gelegenheiten. Ein paar Beamte mehr oder weniger machten keinen Unterschied, hieß es. Die Erfahrungen der New Yorker Polizei widerlegen dies. Mehr Beamte bedeutete, dass Verbrechen verhindert, schneller aufgeklärt oder in anderen Stadtteile abgedrängt wurden. Mit anderen Worten ist das Verhältnis zwischen New York (einer Kategorie) und der Verbrechensrate (einer Eigenschaft) instabil, und diese Instabilität macht unsere Verallgemeinerungen unhaltbar.
    Warum können wir beispielsweise sagen, dass Kenianer gute Langstreckenläufer sind?
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