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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah
Autoren: Loel Zwecker
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Bierseligkeit mag helfen, wenn man in der Wüstenhitze Pyramiden aufschichten muss, in die ganze Kathedralen passen würden – wären sie nicht mit Millionen von mühsam herbeigeschafften tonnenschweren Steinen gefüllt.
    Die Bauzeit von Pyramiden beträgt rund 15 Jahre (in Ausnahmefällen bis zu 30), etwa die Hälfte der Lebenserwartung eines einfachen Arbeiters oder Bauern, die über 80 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Tief drinnen in beziehungsweise unter den Pyramiden liegen gut versteckt und gesichert kleine Grabkammern. Sie sind deshalb so schützenswert, weil in ihnen mumifizierte Pharaonen und hohe Beamte ein unbeschwertes Leben nach dem Tod weiterführen können – sofern sie Grabbeigaben bei sich haben: Ochsen etwa, Gänse, Brot, Bier, Leinenkleidung, Sandalen, auf deren Sohlen das Bild des Feindes eingraviert ist, Einrichtungsgegenstände und das Abführmittel Natriumsulfat, später als Glaubersalz bekannt. So vielversprechend das Leben im Jenseits sein mag, so muss man aus dem Diesseits mitbringen, was man im jenseitigen Alltag braucht. Das Jenseits wurde im Verlauf der ägyptischen Geschichte in der westlichen Wüste vermutet, aber auch in der Unterwelt des Osiris, des obersten Richters des Totengerichts, und im Himmel. Dorthin können die Seelen der verstorbenen Pharaonen von den Grabkammern der Pyramiden aus durch steil nach oben führende Luken wie über Raketenabschussrampen aufsteigen.
    Wie wichtig das Leben nach dem Tod – auch zur Ruhigstellung der lebenden Untertanen – ist, zeigt der Aufwand, der neben dem Pyramidenbau beim Jenseitskult betrieben wird. Haltbar gemacht werden die Leichen durch Balsamierung mit Ölen und Harzen und durch eine Art Pökelverfahren. Das Gehirn zieht man, damit der Schädel unverletzt bleibt, minimalinvasiv durch die Nase heraus und bewahrt es ebenso wie die anderen inneren Organe in Krügen auf. Offenbar sind die Ägypter nicht nur Meister der Mumifizierung, sondern auch Erfinder des massentouristischen Reliquienkultes, den man sonst eher aus dem europäischen Mittelalter kennt: Bei den Ägyptern umfasst der Totenkult auch Tiere; so werden tote heilige Tiere wie Ibis, Falke und Katze – aber auch andere weniger heilige Tiere – zu Tausenden einbalsamiert, in Tonkrüge gepackt, sorgfältig gestapelt und an Pilger verkauft.
    Haltbar wie die Pyramiden und die heiligen Konserven ist auch das Kulturverständnis, das über dynastische Machtkämpfe hinweg Stabilität garantiert. Besonders deutlich wird dies mit Blick auf die eine große Ausnahme von der Regel: Es geht um Pharao Amenophis IV., der um 1350 v. Chr. an die Macht kommt und sich in Echnaton umbenennt (etwa: »dem Aton wohlgefällig«). Er sorgt für Unruhe, als er die Vielgötterei mit göttlichem Pharao, göttlichem Nil, göttlicher Sonne, Katze, Stier usw. abschaffen und den ganzen Kult auf den Sonnengott Aton beschränken will. Als Sonnenscheibe dargestellt, soll Aton ältere Götter ablösen – etwa den Gott Re und den Gott der Morgensonne Chepre, der sich im Skarabäus manifestiert, weil der golden schimmernde Käfer wie die Sonne scheinbar direkt der Erde entschlüpft. Vor allem soll Aton aber Amun (ägypt. »der Verborgene«) verdrängen, der seit Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. eine Art Hauptgott der Ägypter ist. Amuns Kultbild in Menschengestalt wird nur an Feiertagen aus dem Verborgenen im Tempel geholt, für Prozessionen geschminkt, mit kostbaren Gewändern und Schmuck angetan und von Priestern in einer Barke an einer durch Alkohol eingestimmten Menge vorbeigetragen, von Musikern und Tänzerinnen begleitet.
    Mit dem weltweit wohl ersten Versuch in Sachen Monotheismus – der erst später vom Judentum populär gemacht wird – will Echnaton auch eine lebensnahe, realistische Kunst einführen. Vielleicht soll sie dem Wesen des hellen, für alle sonnig strahlenden Aton entsprechen und Echnatons Religion der Liebe – samt ihrem universellen Anspruch. Jedenfalls ist die neue Darstellungsweise weniger starr als die typisch ägyptische mit den schematisch im Profil gemalten Nasen. Echnaton lässt seine Familie und sich selbst auch mal weniger vorteilhaft abbilden, etwa mit Bäuchlein. Betrachtet man allerdings Büsten seiner attraktiven Gattin Nofretete (ägypt. »die Schöne ist gekommen«), begreift man, warum der avantgardistische Pharao statt einer schematischen eine realistische Darstellung bevorzugt – unabhängig davon, wie seine Frau wirklich aussah.
    Ein politisches Problem werden die
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