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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah
Autoren: Loel Zwecker
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echten Austausch und zu anregenden Diskussionen.
    Vielleicht ist die Tatsache, dass die Menschen immer weniger lesen, also nur halb so wild. Jedenfalls hat die Art des Lesens, die wir heute kennen, noch keine lange Karriere hinter sich. Erst seit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern um 1450 und der Reformation zu Beginn des 16. Jahrhunderts, im Zuge derer die individuelle Bibellektüre an Bedeutung gewann, fingen immer mehr Menschen an, sich stumm in Bücher zu vergraben; erst ab dem 17. Jahrhundert in Zeitungen, im 18. Jahrhundert verstärkt in Romane. Davor ist über Jahrhunderte lautes Vorlesen und Aufsagen von Texten üblich. In Kirchen zelebrieren Priester ihre Messen, auf Marktplätzen, in Kneipen und bei Hofe tragen Spielleute Epen, Balladen und Neuigkeiten vor wie lebende Fernseher, auf die das Publikum direkt reagiert. Im Mittelalter lesen, schreiben und kopieren nur ein paar verschrobene Mönche in den Skriptorien ihrer Klöster stundenlang schweigend religiöse, wissenschaftliche und literarische Texte. Als Hüter exklusiven Wissens gewinnen sie allerdings an Einfluss, indem sie Könige und Kaiser beraten, die des Lesens oft kaum mächtig sind.
    Doch wann und wie hat der Siegeszug der Bücherwürmer begonnen? Das war vor rund 5000 Jahren. Noch gar nicht so lange her, wenn man bedenkt, dass es eine Art Ursprache wohl seit 200 000 Jahren oder mehr gibt und Bilder seit über 35 000 Jahren. Doch erst um 3000 v. Chr. kommt das Lesen ins Spiel, und zwar mit den zwei ersten Schriftkulturen der Welt: den Hochkulturen in Ägypten und Mesopotamien. Als dritte Kraft des Nahen Ostens, welche die westliche Welt kulturell prägt, ist das alte Israel zu nennen.
    Gemeinsam haben diese Kulturen die geografische Lage im »Fruchtbaren Halbmond« im heutigen Nahen Osten, wo die Menschheit ab dem 10. Jahrtausend v. Chr. sesshaft wird, und die große Bedeutung der Schrift. Allgemein verändert sich mit der Etablierung der Schriftkultur die Art der gesellschaftlichen Machtverteilung. Ist in steinzeitlichen Jäger- und Sammlerkulturen derjenige Anführer und Alphamann, der die stärksten Muskeln hat und am meisten Mut beim Jagen beweist, gewinnt nun zunehmend derjenige an Macht, der die gewagtesten Behauptungen aufstellt und ein komplexes Zeichensystem beherrscht: Zum einen sind es Schamanen und Priester, die verkünden, sie hätten den Überblick über Wetterlage und Seelenheil, könnten göttliche Spuren und Zeichen lesen und sie in Symbole übersetzen, zum anderen Beamte und Händler, die Gemeinwesen und Waren verwalten.

Am Informationsfluss: die Pharaonen und der frühe Beamtenstaat in Ägypten
     
    Je komplexer die Gesellschaften, desto wichtiger die Schrift, die Planung und Kontrolle ermöglicht. Der erste Großstaat der Weltgeschichte ist denn auch der erste, der maßgeblich durch Schriftlichkeit geprägt ist: Ägypten. Nachdem Jäger und Sammler etwa um 5000 v. Chr. in immer größeren Stammesverbänden am Nil sesshaft werden und dank der jährlichen Überschwemmung des Flusses mit fruchtbarem Schlamm ihre Felder bestellen können, ermöglichen dort ab ungefähr 3000 v. Chr. die Hieroglyphen, eine Bilderschrift, neuartige effiziente Organisationsformen. Aus heutiger Sicht ist das alte Ägypten auch deshalb faszinierend, weil es mit 2000 Jahren als im Wesentlichen einheitliches Reich länger Bestand hatte als später das antike Athen oder das Römische Reich. Wie hat Ägypten das geschafft?
     
    Zugespitzt lautet die Antwort: Statik. Es geht um Konservativismus, eine Kultur der Haltbarkeit. Die Qualität hängt maßgeblich mit drei Dingen zusammen: Geografie, Hieroglyphen, Pyramiden. Geografisch betrachtet ist Ägypten kein Großreich, sondern ein Langreich. Das Land erstreckt sich entlang dem Nil von Norden nach Süden über rund 1000 Kilometer, ist aber meist nur auf zehn bis zwanzig Kilometern Breite bewohnt. Die Wüste drum herum hält mögliche Eroberer ab.
    Ab 2982 v. Chr. regiert König Aha, der die Einigung der zwei Reiche Unterägypten (Norden, Nildelta) und Oberägypten (Süden) durch den Aufbau eines Zentralstaates zum Abschluss bringt. Der Pharao ist göttlich, gilt als Sohn und amtliche Vertretung Gottes auf Erden. Entsprechend fließend sind die Übergänge zwischen Beamtentum und Priesterschaft. Der höchste Beamte mit den Machtbefugnissen eines Kanzlers ist der Wesir, der höchste Priester der Hohepriester. Das Militär spielt erst nach 2000 v. Chr. ein wichtigere Rolle.
    Zwar wird der
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