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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt
Autoren: Paula Fox
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tragbarer Fernseherersatz.
    Das Fortbestehen eines Marktes für Literatur wirkt sich auf die Schriftsteller disziplinierend aus, da er uns an unsere Unterhaltungspflicht erinnert. Wenn aber Universitäten für ambitionierte Schriftsteller eine Szylla sind, dann ist das Wesen des modernen amerikanischen Markts – die Einteilung der Künstler in Superstars, Stars und Nobodys, die klarsichtige Erkenntnis, dass nichts den Verkauf eines Produkts so befördert wie eine Persönlichkeit – wahrhaft eine Charybdis. Dem, der das geeignete Temperament dazu hat, kann es gelingen, sich erfolgreich mit Ironie zu vermarkten, indem er sich über das Marketing lustig macht. Nicht von ungefähr ist das literarische Thema des jungen Autors Mark Leyner die Selbstvermarktung des jungen Autors Mark Leyner; ganze drei Mal war er schon in der
Letterman
-Show. Doch den meisten Schriftstellern bereitet die Vermarktung des von Natur aus privaten Lesevorgangs durch eigene Imagepflege – auf Lesereise, in Radio-Talkrunden, auf Tüten und Kaffeebechern des Buchkaufhauses Barnes & Noble – einiges Unbehagen. Der Autor, für den das gedruckte Wort über allem anderen steht, ist eo ipso eine wenig telegene Persönlichkeit, und wenn wir uns erinnern, wie viele unserer von der Kritik geschätzten älteren Schriftsteller in einem Land, in dem Medienpräsenz gesucht wird wie der Heilige Gral, beschlossen haben, ihre Privatsphäre zu schützen, so ist das aufschlussreich.Salinger, Roth, McCarthy, Don DeLillo, William Gaddis, Anne Tyler, Thomas Pynchon, Cynthia Ozick und Denis Johnson – sie alle geben kaum oder gar keine Interviews, unterrichten oder touren, wenn überhaupt, wenig und lehnen es in manchen Fällen sogar ab, sich fotografieren zu lassen. Zweifellos spielen hier diverse Heath’sche Dramen der sozialen Isolation hinein. Doch für manche dieser Schriftsteller ist öffentliche Zurückhaltung ein integraler Bestandteil ihres künstlerischen Credos.
    In Gaddis’ erstem Roman
Die Fälschung der Welt
(1955) ruft ein Alter Ego des Autors aus: «Was wollen sie denn von dem Mann, was ihnen nicht schon sein Werk gegeben hat? Was erwarten sie denn? Was ist noch übrig von ihm, wenn er sein Werk getan hat? Was ist der Künstler überhaupt, wenn nicht der Abfall seines Werks? der menschliche Scherbenhaufen, der ihm folgt?» Nachkriegsschriftsteller wie Gaddis und Pynchon und Nachkriegskünstler wie Robert Frank haben diese Fragen ganz anders beantwortet als Norman Mailer und Andy Warhol. 1954, noch bevor das Fernsehen das Radio als vorherrschendes Medium ablösen sollte, erkannte Gaddis, dass der Künstler, der es wirklich ernst damit meint, sich einer Kultur des verfälschten, massenhaft vermarkteten Bilds zu widersetzen, sich auch widersetzen muss, selbst zum verfälschten Bild zu werden, sogar um den Preis einer gewissen Obskurität, egal, wie reizvoll und subversiv die Eigenwerbung auf kurze Sicht auch sein mag.
    In dem Versuch, Gaddis’ Beispiel zu folgen, hielt ich mich lange streng daran, meine Arbeit für sich sprechen zu lassen. Nicht, dass ich mit Einladungen bombardiert worden wäre, aber ich weigerte mich zu unterrichten, Rezensionen für die
Times
zu schreiben, übers Schreiben zu schreiben, auf Partys zu gehen. In einer Zeit des Persönlichkeitskults empfand ich es als Betrug, mich außerliterarisch zu äußern; es implizierte einen mangelnden Glauben an die Tauglichkeit der Literatur zu Verständigung und Selbstausdruck und trug somit, wieich meinte, dazu bei, die allgemeine Abkehr vom Imaginierten und Hinwendung zum Faktischen zu beschleunigen. Mein Weltbild war eins der schweigsamen Helden und geselligen Verräter.
    Schweigen ist jedoch nur dann ein nützliches Statement, wenn irgendwo jemand erwartet, dass man seine Stimme erhebt. In den neunziger Jahren schien Schweigen ausschließlich zu gewährleisten, dass ich auch ja allein war. Schließlich dämmerte mir, dass die Verzweiflung, die ich über den Zustand des Romans empfand, weniger das Resultat meiner Veralterung als vielmehr meiner Isolation gewesen ist. Eine Depression äußert sich als Realismus gegenüber der Fäulnis der Welt im Allgemeinen und der des eigenen Lebens im Besonderen. Doch Realismus ist lediglich eine Maske für das tatsächliche Wesen der Depression, die alles umfassende Entfremdung von den Mitmenschen. Je überzeugter man ist, einzig man selbst habe Einblick in die Fäulnis, desto größer wird die Angst, sich auf die Welt einzulassen, und je weniger
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