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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt
Autoren: Paula Fox
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machen. Dass der amerikanische Roman noch immer kulturelle Autorität – einen Reiz über das Akademische hinaus, eine Relevanz in Alltagsgesprächen – hat, ist weitgehend das Verdienst von Frauen. Sachkundige Buchhändler schätzen, dass siebzig Prozent aller Literatur von Frauen gekauft wird, und deswegen ist es vielleicht kein Wunder, dass in den letzten Jahren so viele Crossover-Romane – Bücher, die zugleich gut und erfolgreich sind – von Frauen geschrieben wurden: Da gibt es fiktive Mütter, die einen nüchternen Blick auf ihre Kinder werfen, im Werk von Jane Smiley und Rosellen Brown; fiktive Töchter, die ihren chinesischen Müttern (Amy Tan) oder Chippewa-Großmüttern (Louise Erdrich) zuhören; eine fiktive freigelassene Sklavin im Gespräch mit dem Geist ihrer Tochter, die sie umgebracht hat, um sie vor der Sklaverei zu bewahren (Toni Morrison). Das Düstere dieser Romane ist keine politische Düsternis, die sich durch das Erhellende der zeitgenössischen Kritischen Theorie vertreiben ließe; es ist das Düstere von Leiden, für die es keine schnelle Heilung gibt.
    Der gegenwärtige Erfolg der Romane von Frauen und kulturellen Minderheiten zeigt, wie chauvinistisch es ist, die Lebendigkeit der amerikanischen Literatur an der Qualität des herkömmlichen Gesellschaftsromans zu messen. Man könnte sogar sagen, die literarische Kultur des Landes sei
gesünder
, weil sie sich von der Mainstream-Kultur abgekoppelt habe, ja dass eine allgemeine «amerikanische» Kultur kaum mehr als ein Instrument der Perpetuierung einer weißen, männlichen, heterosexuellen Elite gewesen sei und ihr Niedergang der gerechte Lohn einer überlebten Tradition. (Joseph Hellers Darstellung von Frauen in
Catch 22
beispielsweise ist so peinlich, dass ich gezögert habe, das Buch meinen Studenten zu empfehlen.) Gut möglich, dass Amerika sich inzwischen als so weit gefächert und zersplittert erlebt, dass kein einzelner «Gesellschaftsroman» eines Dickens oder Stendhal es auch nur annähernd spiegeln könnte; vielleicht braucht es dazu jetzt zehn Romane aus zehn verschiedenen kulturellen Perspektiven.
    Bedauerlicherweise gibt es auch Anzeichen dafür, dass junge Autoren sich heute in ihrer ethnischen oder geschlechtlichen Identität eingesperrt fühlen – eine Kultur, in der das Fernsehen uns konditioniert hat, einzig die authentische Selbstauskunft zu akzeptieren, ermutigt sie nicht gerade, über Grenzen hinweg zu sprechen. Und das Problem wird noch verschärft, wenn Schriftsteller ihr Heil in universitären Creative-Writing-Kursen suchen. Die typische kleine Literaturzeitschrift, herausgegeben von angehenden
Masters of Fine Arts
, die wissen, dass angehende
Masters of Fine Arts
deshalb Manuskripte einreichen, weil sie, um einen Lehrauftrag zu bekommen oder wiederzubekommen, publizieren müssen, enthält garantiert in jeder Ausgabe Variationen über drei Kurzgeschichtenthemen: «Meine interessante Kindheit», «Mein interessantes Leben in einer College-Stadt» und «Mein interessantes Jahr im Ausland». An Hochschulen lehrende Schriftsteller haben die wichtige Funktion, Literaturum ihrer selbst willen zu unterrichten, und manche bringen während des Semesters auch gute eigene Arbeiten hervor, doch als Leser denke ich wehmütig an die Zeit zurück, als noch mehr Schriftsteller in Großstädten gelebt und gearbeitet haben. Ich beklage den Rückzug ins Ich und den Niedergang des Großleinwandromans aus demselben Grund, aus dem ich den Aufstieg der Vorstädte beklage: Ich mag es, wenn sich maximale Vielfalt und maximale Kontraste in einem einzigen erregenden Erlebnisrahmen drängen. Obwohl die Sozialreportage heute weniger der ausdrückliche Zweck eines Romans als vielmehr ein zufälliges Nebenprodukt ist – Shirley Heaths Beobachtungen bestätigen, dass anspruchsvolle Leser nicht um der Belehrung willen lesen –, mag ich Romane, die lebendig und vielseitig sind wie eine Stadt.
    Der Wert von Shirley Heaths Arbeit und der Grund, warum ich sie so ausführlich zitiere, ist, dass sie sich der Mühe unterzogen hat, etwas empirisch zu untersuchen, was noch niemand untersucht hat, und dass sie das Problem des Lesens mit einem Vokabular beschreibt, das neutral genug ist, um in unserem wertfreien Kulturmilieu zu bestehen. Leser sind nicht «besser» oder «gesünder» oder, umgekehrt, «kränker» als Nichtleser. Wir gehören nur zufällig einer ziemlich seltsamen Gemeinschaft an.
    Für Heath ist ein kennzeichnendes Merkmal von
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