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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Autoren: Kurt Flasch
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vor.
    Das zweite Kapitel zeigt: Seit etwa 1800 reagierten europäische Christen mit neuen Glaubensbegründungen auf die Verluste seit dem 18. Jahrhundert. Sie empfehlen die Annahme des christlichen Glaubens unter erschwerten Bedingungen. Aber sagen uns die neuen Verteidiger des Glaubens, warum er wahr ist? Ich frage, was es heißen kann, wenn jemand sagt, das Christentum sei ‹wahr› oder wenn er seine Wahrheit bestreitet. Ich halte diese abstrakte Frage für notwendig, auch um zu einem klareren Konzept von ‹Fundamentalismus› zu kommen, fasse sie aber so kurz wie möglich und gehe im dritten Kapitel zu anschaulicheren Themen über: Ich prüfe die traditionellen Argumente der Glaubensverteidiger; das waren Weissagungsbeweise und Wunderberichte.
    Der zweite Teil geht die Hauptinhalte des christlichen Glaubens durch. Er bespricht zuerst die Christenlehre über Gott. Kapitel IV geht auf die Gottesbeweise ein und konfrontiert den Gott der Philosophen mit dem gar nicht so zärtlichen ‹Gott der Väter›. Kapitel V kommt zu seinem Verhältnis zur Welt, also zum alten Problem der Theodizee: Widerlegt das Übel in der Welt die Ansicht vom guten und allmächtigen Schöpfer?
    Danach gehe ich konkreter auf die Glaubenslehre ein und frage nach dem christlichen Konzept der Erlösung (Kapitel VI). Es folgt eine kurze Kritik der christlichen Ethik, auch der Sexualethik (Kapitel VII). Schließlich kommen die ‹Letzten Dinge›, Tod und Unsterblichkeit; ich besehe das Schicksal der Seelen in Himmel und Hölle (Kapitel VIII). Am Ende antwortet das neunte und letzte Kapitel auf die Frage, wie es sich anfühlt, kein Christ zu sein.

3.  Ein bißchen Autobiographie
    Muß ein Autor sich dafür entschuldigen, wenn er ein ‹ernsthaftes Buch› damit beginnt, indem er ein wenig aus seinem Leben erzählt? Jedenfalls ist es schwer zu vermeiden, wenn ich erklären soll, warum ich kein Christ bin. Ich bekomme jetzt schon Briefe, in denen der fromme Schreiber sich für Biestigkeiten entschuldigt, die seine Glaubensgenossen mir angetan hätten. Anders denn als Reaktion auf mitchristlichen Ärger kann er sich meinen Unglauben nicht erklären. Er kennt seine Glaubensgenossen besser als mich. Dem Manne kann geholfen werden, aber nur mit ein bißchen Biographie. Denn ich bin dem Christentum abhanden gekommen, nicht weil die Kirche mich gedemütigt, gequält oder mißbraucht hätte, sondern während sie mich verwöhnt hat. Das kommt ziemlich selten vor und muß daher erzählt werden.

    Gedanken entspringen dem Leben. Sie kommen aus ihm hervor, springen ihm aber davon. Sie stellen sich dem Leben gegenüber und beurteilen es. Sie sind nicht eine Funktion des vorhandenen Lebens; sie lassen sich nicht ableiten aus der Biographie. Gedanken kommen aus Gedanken.
    Der Unglaube wurde mir nicht an der Wiege gesungen, als ich 1930, noch in der Weimarer Republik, in Mainz zur Welt kam, ziemlich genau dort, wo der Main in den Rhein fließt.
    Wir waren eine katholische Familie. An ihrer religiösen Orientierung gab es keinen Zweifel, aber ich muß sofort hinzusagen, was für eine Art von Katholizismus das war. Wir waren ‹gut katholisch›, warm, klar und mit Leidenschaft, aber nicht ‹streng katholisch›. Es könnte zu Mißverständnissen führen, wenn ich sagen würde, wir waren ‹liberal katholisch›, jedenfalls war es ein städtischer, ein kulturell offener und ein politischer Katholizismus. Goethe stand in der kleinen Büchersammlung; Fastnacht war wichtiges Lebenselement; wir Kinder durften zu Kirche und Glauben Fragen stellen, auch leicht spöttische. Wir sprachen heiter über religiöse Fragen. Zum Beispiel fragte – es dürfte 1941 gewesen sein – meine große Schwester beim Mittagessen die Mutter, was sie denn machen würde, wenn Gott auf den Gedanken käme, Hitler in den Himmel aufzunehmen. «Dann will ich nicht hinein», platzte sie heraus sie und löste damit vergnügliche Gespräche über ihren theologisch bedenklichen Eigensinn aus. Aber die Lage wurde ab 1937 immer ernster, denn wir gehörten zu der Gruppe, welche die Nazis den ‹politischen Katholizismus› nannten; das waren die kleinen Teile der Zentrumspartei, die nicht zu den Braunen umschwenkten. Mein Vater, mittlerer Bahnbeamter und kein Parteimitglied, wurde als ‹politisch unzuverlässig› schikaniert und beruflich benachteiligt; 1943 wurde er nach Schlesien an einen kleinen Bahnhof strafversetzt. Bis dahin war mein Vater der dritte Mann in einer nicht ganz
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