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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Autoren: Pamela Druckerman
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schenke ich dem pakistanischen Taxifahrer, der mich zum Flughafen fährt.
    Und schwupp! bin ich Pariserin. Ich ziehe zu Simon, in seine Zweizimmer-Junggesellenwohnung. Sie liegt in einem früheren Handwerkerviertel im Pariser Osten. Da ich noch Arbeitslosengeld beziehe, gebe ich endlich mein Dasein als Finanzjournalistin auf und recherchiere für ein eigenes Buch. Simon und ich arbeiten zu Hause, jeder in einem anderen Zimmer.
    Unsere Romanze verliert jedoch rasch ihren Glanz, hauptsächlich, weil wir uns über die Einrichtung streiten. Ich habe mal in einem Feng-Shui-Ratgeber gelesen, dass haufenweise auf dem Boden herumliegende Gegenstände auf eine Depression schließen lassen. Doch Simon scheint einfach nur eine Abneigung gegen Regale zu haben. Er hielt es für schlau, in einen riesigen, unbehandelten Holztisch zu investieren, der beinahe das ganze Wohnzimmer einnimmt, sowie in eine primitive Gasheizung, die dafür sorgt, dass wir ab und zu mit warmem Wasser rechnen können. Besonders stört mich seine Angewohnheit, das Wechselgeld aus seinen Hosentaschen auf dem gesamten Fußboden zu verteilen, wo es sich irgendwie in den Zimmerecken sammelt. »Schaff dieses Geld weg!«, flehe ich ihn an.
    Außerhalb der Wohnung finde ich auch kaum Trost. Obwohl es sich bei Paris um die Welthauptstadt der Gastronomie handelt, weiß ich einfach nicht, was ich essen soll. Wie die meisten Amerikanerinnen bin ich mit sehr speziellen Ernährungsgewohnheiten nach Paris gekommen. (Ich bin Low-Carb-Vegetarierin.) Auf meinen Spaziergängen fühle ich mich regelrecht umzingelt von Bäckereien und fleischlastigen Restaurants. Eine Weile ernähre ich mich ausschließlich von Omelette und Salat mit Ziegenkäse. Wenn ich die Kellner bitte, mir das Dressing separat zu servieren, sehen sie mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. Ich verstehe nicht, warum französische Supermärkte alle amerikanischen Frühstücksflocken vorrätig haben, nur nicht meine Lieblingssorte mit Trauben und Nüssen. Geschweige denn, warum man in Cafés keine fettarme Milch bekommen kann.
    Ich weiß, es klingt undankbar, nicht von Paris zu schwärmen. Vielleicht finde ich es auch bloß dämlich, sich nur deshalb in eine Stadt zu verlieben, weil sie so schön aussieht. Die Städte, die mich bis dahin begeistert haben, waren alle ein bisschen … na ja, düsterer: São Paolo, Mexiko City, New York. Die lehnen sich nicht bequem zurück und lassen sich bewundern.
    Der Teil von Paris, in dem wir wohnen, ist nicht mal besonders schön. Und der Alltag voller kleiner Enttäuschungen. Niemand erwähnt, dass der »Pariser Frühling« nur deshalb eine solche Berühmtheit genießt, weil es in den sieben Monaten davor eiskalt und grau ist. Und obwohl ich fest davon überzeugt bin, mich noch gut an mein Schulfranzösisch erinnern zu können, haben die Pariser einen anderen Namen für die Sprache, die ich spreche: Spanisch.
    Es gibt aber auch Vieles, das ich an Paris mag: Mir gefällt, dass die Metrotüren sich schon wenige Sekunden, bevor der Zug steht, öffnen. Das lässt darauf schließen, dass die Stadt ihre Einwohner wie Erwachsene behandelt. Mir gefällt auch, dass nach einem halben Jahr so gut wie sämtliche Freunde und Bekannte aus Amerika bei uns zu Besuch waren, darunter Leute, die ich später als »Facebook-Freunde« verbuche. Irgendwann entwickeln Simon und ich strikte Zugangsbeschränkungen sowie ein Bewertungssystem für unsere Gäste. (Nur ein kleiner Tipp am Rande: Wer eine Woche bleiben will, sollte ein Geschenk dalassen.)
    Die berüchtigte Pariser Ruppigkeit macht mir nichts aus, denn die beruht auf Gegenseitigkeit. Mehr zu schaffen macht mir die französische Gleichgültigkeit. Bis auf Simon scheint sich niemand über meine Anwesenheit zu freuen. Und der ist oft unterwegs, um in seinen eigenen Paris-Fantasien zu schwelgen, die so schlicht sind, dass sie überlebt haben. Soweit ich das beurteilen kann, war Simon noch in keinem einzigen Museum, beschreibt das Zeitunglesen im Café allerdings als eine fast transzendentale Erfahrung. Eines Abends gerät er in einem Ecklokal unglaublich ins Schwärmen, als der Kellner eine Käseplatte vor ihn hinstellt.
    »Genau das ist der Grund, warum ich in Paris lebe!«, verkündet er. Wenn ich ihn liebe, und er Käse liebt, heißt das anscheinend, dass ich wegen dieser stinkenden Käseplatte in Paris leben muss.
    Aber ich will nicht ungerecht sein und denke, dass das wohl eher an mir als an Paris liegen muss. In New York mag man
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