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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Autoren: Pamela Druckerman
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selbst einer zu sein. In der Regel war ich allein mit zähen Recherchen beschäftigt und musste mich am Telefon mit meinen Herausgebern herumschlagen, die nie zufrieden waren. Meine männlichen Kollegen schafften es wenigstens, Costa-Ricanerinnen und Kolumbianerinnen aufzugabeln, die sie anschließend auf ihren Reisen begleiteten. Bei ihnen stand zumindest das Essen auf dem Tisch, wenn sie sich spätabends nach Hause schleppten. Die Männer, mit denen ich anbandelte, waren weniger fürsorglich. Außerdem blieb ich nur selten lang genug in einer Stadt, um es bis zum dritten Date zu schaffen.
    Obwohl ich froh bin, der Zeitung den Rücken kehren zu können, bin ich nicht darauf gefasst, dass man mich plötzlich meidet. In der Woche nach der Kündigung, in der ich nach wie vor ins Büro gehe, behandeln mich meine Kollegen, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Leute, mit denen ich jahrelang zusammengearbeitet habe, schweigen oder machen einen Riesenbogen um meinen Schreibtisch. Eine Kollegin lädt mich zum Abschied zum Mittagessen ein, will aber anschließend beim Betreten des Bürogebäudes nicht mit mir gesehen werden. Lange nachdem ich meinen Arbeitsplatz geräumt habe, will mein Vorgesetzter, der verreist war, als die Entscheidung fiel, dass ich für ein demütigendes Abschlussgespräch zurückkomme. Bei dem er mir vorschlägt, mich auf eine niedrigere Position zu bewerben, um dann anschließend zum Mittagessen zu eilen.
    Auf einen Schlag werden mir genau zwei Dinge klar. Erstens: Ich will nicht mehr über Politik und Geld schreiben. Und zweitens: Ich will einen Freund. Ich stehe gerade in meiner winzigen Küche und überlege, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll, als Simon anruft. Wir haben uns vor einem halben Jahr in Buenos Aires kennen gelernt, als ihn ein gemeinsamer Freund zu einem Auslandskorrespondententreffen mitbrachte. Er ist ein britischer Journalist, der ein paar Tage in Argentinien war, um einen Artikel über Fußball zu schreiben. Ich war entsandt worden, um über den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes zu berichten. Wie es der Zufall so wollte, saßen wir im selben Flieger nach New York. Für ihn bin ich die Frau, die den Abflug verzögert hat, weil mir erst auf der Gangway auffiel, dass ich meine Duty-Free-Einkäufe in der Abflughalle vergessen hatte, und darauf bestand, sie zu holen. (Damals erledigte ich meine Besorgungen überwiegend auf Flughäfen.)
    Simon war genau mein Typ: dunkel, muskulös, clever. Ich kannte ihn erst wenige Stunden, als ich begriff, dass »Liebe auf den ersten Blick« bedeutet, sich auf Anhieb wohl in Gegenwart des anderen zu fühlen. Doch damals sagte ich nur: »Wir dürfen auf keinen Fall miteinander schlafen.«
    Simon war gerade vom Londoner Immobilienmarkt geflohen und hatte sich eine günstige Wohnung in Paris gekauft. Ich pendelte zwischen Südamerika und New York hin und her. Eine Fernbeziehung mit jemandem, der auf einem dritten Kontinent lebt, war mir dann doch ein bisschen zu kompliziert. Wir schrieben uns hin und wieder eine E-Mail. Aber ich ließ nicht zu, dass mehr daraus wurde, und hoffte auf dunkle, clevere Männer in meiner eigenen Zeitzone.
    Als Simon sieben Monate später völlig überraschend anruft und erfährt, dass ich soeben gefeuert wurde, macht er kein Drama daraus und behandelt mich auch nicht wie ein rohes Ei. Im Gegenteil, er scheint sich zu freuen, dass ich jetzt plötzlich mehr Zeit habe. Er meint, wir hätten da doch noch etwas »in der Schwebe«, und er würde mich gern in New York besuchen.
    »Das ist keine gute Idee«, sage ich. Was soll das? Er kann nicht nach Amerika ziehen, weil er über europäischen Fußball schreibt. Und ich spreche kein Französisch und habe noch nie davon geträumt, in Paris zu leben. Obwohl ich auf einmal ziemlich flexibel bin, möchte ich mich lieber nicht in das Universum eines Fremden saugen lassen.
    Simon taucht in derselben abgewetzten Lederjacke bei mir in New York auf, die er schon in Argentinien anhatte. In der Hand hält er einen Bagel mit Räucherlachs, den er im Deli unweit meiner Wohnung gekauft hat. Einen Monat später lerne ich seine Eltern in London kennen. Ein halbes Jahr später verkaufe ich fast alle meine Besitztümer und lasse den Rest nach Frankreich verschiffen. Sämtliche Freunde sagen, ich handle viel zu überstürzt. Ich höre nicht auf sie und verlasse mein mietgebundenes New Yorker Miniapartment mit drei Riesenkoffern und einer Dose südamerikanischer Münzen. Die
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