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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Autoren: Pamela Druckerman
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vogue wie französische Mode oder französischer Käse. Niemand fährt nach Paris, um sich etwas von der natürlichen Autorität französischer Eltern abzuschauen oder um zu lernen, nicht ständig ein schlechtes Gewissen zu haben. Im Gegenteil: Die amerikanischen Mütter, die ich in Paris treffe, sind entsetzt darüber, dass Französinnen öffentlich stillen und ihre Vierjährigen noch mit Schnuller herumlaufen lassen.
    Aber warum verschweigen sie, dass viele französische Babys bereits im Alter von zwei, drei Monaten nachts durchschlafen? Warum bleibt unerwähnt, dass französische Kinder nicht ständig um Aufmerksamkeit betteln und sogar das Wort »Nein« hören können, ohne einen Nervenzusammenbruch zu kriegen?
    Niemand findet das außergewöhnlich. Aber so langsam dämmert mir, dass französische Eltern heimlich, still und leise Erfolge erzielen, die ein ganz anderes, ein entspanntes und friedliches Familienleben ermöglichen. Bekommen wir Besuch von Amerikanern, sind die Erwachsenen ständig damit beschäftigt, Streit unter den Kindern zu schlichten, hinter dem eigenen Nachwuchs herzurennen, der Runden um die Kücheninsel dreht, oder auf der Erde herumzukrabbeln und Legodörfer zu bauen. Es wird ununterbrochen geweint und getröstet. Kommen Franzosen zu uns zu Besuch, trinken wir Erwachsenen in aller Ruhe Kaffee, während die Kinder fröhlich zusammen spielen.
    Franzosen sind sehr besorgt um ihre Kinder. 1 Sie wissen Bescheid über Pädophile, Allergien und Erstickungsgefahren und sie ergreifen vernünftige Vorsichtsmaßnahmen, aber sie werden nicht hysterisch. Wegen ihrer größeren Gelassenheit, fällt es ihnen leichter, Grenzen zu setzen, ihren Kindern aber gleichzeitig Freiheiten zu lassen.
    Ich bin mit Sicherheit nicht die Erste, der auffällt, dass viele Eltern in Amerika, aber auch in Deutschland ein Erziehungsproblem haben. Dieses Problem wurde bereits in Hunderten von Büchern und Artikeln ausgiebig beschrieben und kritisiert. Es gibt sogar schon Begriffe dafür wie Over-Parenting oder Helikopter-Eltern. Eine Autorin schreibt, man schenke den Kindern einfach mehr Aufmerksamkeit als ihnen guttut. 2 Judith Warner dagegen spricht von einer » culture of total motherhood «. (Dass diese Kultur der absoluten Mutterschaft ein Problem ist, fiel Warner übrigens erst nach ihrer Rückkehr aus Frankreich auf.) Niemand scheint sich mit dem gnadenlosen, unglücklich machenden Stress dieses Erziehungsstils wohlzufühlen, und schon gar nicht die betroffenen Eltern selbst.
    Aber warum praktizieren wir ihn dann? Wozu diese Erziehung, die unsere Generation regelrecht verinnerlicht hat – selbst wenn sie, wie ich, ins Ausland gegangen ist? Diese Entwicklung begann in den 1980er-Jahren. Damals wurden Unmengen von Daten erhoben, und anschließend hieß es, arme Kinder seien schlechter in der Schule, weil sie nicht von klein auf genügend gefördert würden. Daraus schlossen Mittelschichtseltern, dass ihre Kinder ebenfalls von mehr Förderung profitieren müssten. 3
    Ungefähr zur selben Zeit wurde die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer: Plötzlich schien man sich ganz besonders um die Kinder kümmern zu müssen, wenn sie zur zukünftigen Elite gehören sollten. Auf einmal sollten die eigenen Kinder so früh wie möglich an die richtigen Dinge herangeführt werden, um gegenüber Gleichaltrigen im Vorteil zu sein.
    Gleichzeitig setzte sich die Auffassung durch, dass Kinder psychisch labil sind. Die jungen Eltern von heute sind die am meisten psychoanalysierte Generation überhaupt. Sie haben die Überzeugung verinnerlicht, dass alles, was wir tun, unsere Kinder potenziell schädigen kann. Darüber hinaus sind wir alle in den 1980er-Jahren groß geworden, als sich mehr Paare scheiden ließen denn je, mit der Folge, dass wir selbstloser sein wollen als unsere eigenen Eltern.
    Wir haben als Eltern das Gefühl, in einer hochgefährlichen Welt zu leben und ständig wachsam sein zu müssen. All diese Faktoren haben dazu geführt, dass wir einen anstrengenden, völlig aufreibenden Erziehungsstil pflegen. Aber in Frankreich habe ich erlebt, dass es auch anders geht. Das hat mich in mütterliche Verzweiflung gestürzt, aber auch meine journalistische Neugier geweckt. Nach unserem katastrophalen Strandurlaub habe ich beschlossen zu recherchieren, was französische Eltern anders machen. Warum werfen französische Kinder nicht mit Essen? Und warum werden ihre Eltern nicht laut? Was ist das für eine unsichtbare,
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