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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Autoren: Pamela Druckerman
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zivilisatorische Kraft, die sich die Franzosen zunutze gemacht haben? Kann ich mich umprogrammieren und meinen Nachwuchs gleich mit?
    Dass das ein echt heißes Thema ist, merke ich, als ich auf eine Studie stoße, die ein Wirtschaftswissenschaftler der Princeton University durchgeführt hat. 4 Ihr zufolge empfinden Mütter aus Columbus, Ohio, die Kinderbetreuung als doppelt so anstrengend wie Mütter aus dem französischen Rennes. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen, die ich in Paris, aber auch auf Reisen in meine Heimat machen konnte: Etwas an der Art, wie Franzosen ihre Kinder erziehen, sorgt dafür, dass es weniger anstrengend ist und deutlich mehr Spaß macht.
    Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Geheimnisse der französischen Kindererziehung lüften lassen. Es hat nur noch niemand versucht. Ich stecke also meinen Laptop in die Wickeltasche. Bei jedem Arztbesuch, bei jeder Party, bei jeder Spielverabredung und bei jeder Marionettenaufführung nutze ich die Gelegenheit, französische Eltern zu beobachten, um herauszufinden, welchen ungeschriebenen Gesetzen sie folgen.
    Anfangs ist das schwer zu sagen. Französische Eltern scheinen ständig zwischen zwei Extremen hin- und herzuschwanken: Zum einen sind sie unglaublich streng und zum anderen erschreckend locker. Hakt man nach, bringt das auch nicht viel, denn die meisten Eltern, mit denen ich spreche, glauben, bei der Kindererziehung gar nichts Besonderes zu machen, im Gegenteil: Sie sind fest davon überzeugt, dass Frankreich unter dem » Enfant-roi «-Syndrom leidet und die Eltern all ihre Autorität verloren haben. (Dazu kann ich nur sagen: »Ihr habt unsere kleinen Tyrannen noch nicht gesehen.«)
    Mehrere Jahre lang, in denen ich in Paris noch zwei weitere Kinder bekomme, suche ich nach Hinweisen. Ich befrage Dutzende von Experten und Eltern. Ich belausche sie schamlos, wenn ich die Kinder in den Kindergarten bringe oder im Supermarkt einkaufe. Und irgendwann glaube ich zu wissen, was die französischen Eltern anders machen.
    Wenn ich von »den französischen Eltern« spreche, ist das natürlich eine grobe Verallgemeinerung. Jedes Elternpaar ist anders. Die meisten Eltern aus meinem Bekanntenkreis leben in Paris und Umgebung, sind Akademiker und verdienen überdurchschnittlich gut. Sie sind nicht superreich und gehören auch nicht zur Elite. Aber es sind gebildete Menschen aus der (oberen) Mittelschicht. Dasselbe gilt für die Amerikaner, mit denen ich sie vergleiche.
    Trotzdem fällt mir auf meinen Reisen durch Frankreich auf, dass sich die Erziehungsansichten einer Pariserin aus der Mittelschicht nicht groß von denen einer Mutter aus der Arbeiterschicht, die mit ihrer Familie in der Provinz lebt, unterscheiden. Ich finde es erstaunlich, dass französische Eltern angeblich nicht wissen, was sie tun, dabei allerdings alle mehr oder weniger das Gleiche tun. Gut betuchte Anwälte, Erzieherinnen in Tageseinrichtungen, Lehrer an öffentlichen Schulen und alte Damen, die mich im Park zurechtweisen – sie alle nennen mir genau dieselben Prinzipien. Sie stehen auch in jedem französischen Erziehungsratgeber oder in jeder französischen Elternzeitschrift. Schnell wird klar, dass man sich in Frankreich nicht einer bestimmten, dogmatischen Erziehungsphilosophie verschreiben muss. Jeder hält ein paar grundlegende Regeln für selbstverständlich, und allein das nimmt einem schon so manche Sorge ab.
    Warum ausgerechnet Frankreich? Ich bin wirklich niemand, der Frankreich verherrlicht. Au contraire , ich weiß nicht mal, ob ich gern hier lebe. Und eines möchte ich auf keinen Fall, nämlich dass aus meinen Kindern arrogante Pariser werden. Aber trotz allem ist Frankreich das perfekte Vorbild, wenn es um heutige Erziehungsprobleme geht. Einerseits leben die Franzosen nach Werten, die mir sehr bekannt vorkommen: Sie lieben es, von ihren Kindern zu erzählen, sie vorzuzeigen und ihnen aus Büchern vorzulesen. Sie bringen sie zum Tennisunterricht, zum Malkurs und nehmen sie in interaktive Technikmuseen mit.
    Andererseits schaffen sie es jedoch, sich um ihre Kinder zu kümmern, ohne es zu übertreiben. Sie finden nicht, dass gute Eltern ständig nur für ihre Kinder da sein müssen, und haben auch kein schlechtes Gewissen, wenn sie es nicht tun. »Ich finde, die Abende sind den Eltern vorbehalten«, sagt mir eine Pariser Mutter. »Meine Tochter kann uns Gesellschaft leisten, aber ab dieser Uhrzeit sind die Erwachsenen dran.« Französische Eltern wollen ihre Kinder
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