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Tod Eines Engländers

Tod Eines Engländers

Titel: Tod Eines Engländers
Autoren: Magdalen Nabb
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ERSTER TEIL
    1
    Es war du nk el in dem kleinen Büro, n ur die rote Nachtla m pe auf dem Schreibtisch neben dem Telefon brannte, und die weißen Gla c éhandschuhe auf dem P apierstapel hatten im Lichtschein eine hellrote Färbu n g angeno mm en. Ei n e schwarze Unifor m jacke hing über einer Stuhllehne, und hinter der Tür, neben einer m akello s en Unifor mm ütze, hing ein gleichfarbiger Militär m ant e l m it roten Litzen ordentlich auf einem Kleiderbügel. Im Zim m er war gerade noch Platz für ein Feldbett an einer weißgetünchten Wand; darauf lag, die Beine sorgfältig ausgestreckt, da m i t die Hose m it den roten Seitenstreifen nicht knitterte, der Carabiniere Bacci. Er hatte Nachtdienst. Sein Gesicht mit den florentinischen Zügen wirk t e entspannt. Er schlief .
    Er war sehr j ung und sch l ief fest; ein Exe m plar des Codice di Procedura Penale lag aufgeschlagen auf seiner Brust, e i n Lehrbuch d e r Militärtaktik neben ihm auf dem Fußboden. Urs p rünglich hatte er die ganze Nacht über wachb l eiben und lernen wollen, doch die Enge des Zim m ers, das sanfte rote Licht und die Stille hatten bewirkt, daß ihm die braunen Augen z ug e fallen ware n , wen n gleich er im Traum noch weiterlas .
    Das Telefon schrillte la u t und nachdrücklich. Carabiniere Bacci war halbwach aufgesprungen und salutierte, noch ehe er richtig auf den Beinen stand. Als i hm klar wurde, woher das Geräus c h ka m , griff er, be v or es den W acht m eister aufwecken würde, schnell zum Hörer .
    »Wacht m eister Guarnaccia, Herr Wacht m eister … es wäre gut, we n n Sie sofort hier vorbei k om m en könnten, der Engländer, e r … «
    »Einen M o ment, bitte . « C arabiniere Bacci tastete n ach dem Lichtschalter und griff n a ch einem Sti f t .
    » Herr Wacht m eister ? «
    »Ich bin nicht Wacht m eister Guarnaccia, sondern Carabiniere Bacci. Mit wem spreche ich ? «
    Es entstand eine Pause, dann sprach die Stim m e folgsam weiter: » Ci p olla, Gianpaolo Maria. «
    » Und die Adress e ? «
    » Meine Adress e ? « Die Stim m e war so dünn, daß Carabiniere Bacci sich fragte, ob sie e inem Mann oder einem Jungen ge hö rte .
    » Ihre Adresse und die Adresse, v o n der aus Sie sprechen, wenn es nicht dieselbe ist. «
    » Meine Adresse ist Via R o m ana drei u ndachtzig rot . «
    » Und von wo aus s p rec h en Si e ? «
    » Via Maggio achtundfünfzig . «
    » Und dort ist ein Verbre c hen verübt worde n ? «
    » Ja, der Engländer … Ist der Wachtmeister denn nicht da? Meine Sc hw ester w o hnt gleich neben dem Revier, ihr M a nn arbeitet als Gärtner im Boboli, dah e r kenne ich i hn, und der Wacht m e ister … «
    » Dürfte ich erfahren « , s a gte Carabiniere Bacci m i t all der Kühle seiner praktischen Erfahrung v o n zwei Mon a ten, » was Sie m itten in der Nacht in der Via Maggio m achen, wenn Sie in der Via R o m ana wohne n ? «
    Wieder eine Pause. Dann sagte die dünne Stim m e: » Aber … es ist doch sch o n Morgen … ich arbeite hier . «
    » Aha. Na gut. Bleiben Sie, wo Sie sind, ich bin in fü n f Minuten bei Ihnen.« Car a biniere Bacci zog sich die Jack und den Mantel an und überprüfte sorgf ä ltig den Sitz von Mütze und Han d sc h uhen. Es verdroß ihn, d a ß er sich nicht waschen und rasieren konnte, aber vielleicht war es drin g end … er zögerte, sah zur Tür, wo sein Man t el gehangen hatte und jetzt eine Beretta Neun zu sehen w a r, die d o rt i m weißen Lederhalfter m i t Gürtel hing. Der Wacht m eister lag mit einer beginnenden Grippe im Bett und schwitzte; deshalb hatte Carabiniere Bacci auch d arauf bestanden, hier unten im Büro zu schlafen und nicht oben – völlig überflüssigerweise, w i e der Wachtmeister fand –, aber Carabiniere Bacci galt eben als » Musterschüler « . Ruhig nahm er die Dienstwaffe, überprüfte s i e und schnallte sie sich u m , während er einen Blick auf die innere Tür warf. V i elleicht soll t e er den Wacht m e ister doch lieber wecken od e r im Borgo Ognissanti anrufen, f ü r den Fall, daß er Hilfe br a uchte … ab e r wenn e r in der Zentrale anrief, würden sie ihm best i mmt sagen, er solle sich nicht vom Fleck rühren, sie würden ein e n Beamten losschicken … Carabiniere Bacci war noch nie in sein e m Leben am Schauplatz eines Verbrechens g e wesen … dennoch … leise tr o m m elte er mit den behandschuhten Fingern auf die Tischplatte. Der Wa c ht m eister hatte gesagt, wenn irgend etwas Wichtiges passiere – nicht, daß da m it zu
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