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Tod Eines Engländers

Tod Eines Engländers

Titel: Tod Eines Engländers
Autoren: Magdalen Nabb
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besorgt hatte .
    Er entschied sich für ein e n roten Weihnachtsstern und trug ihn, in grün-weißes Papi e r eingeschlagen, davon. Die Lichter und die Menschen m enge auf der Via Tornabuoni ließen ihn fast verg e ssen, daß er sich im Freien befand. Unablässig schoben si c h Menschen in Pelzen an ihm vorbei, und die schweren Parfü m wolken der reichsten unter den weihnachtlichen Käufern m achten, daß er zu ersticken glaubte. Er lenkte seine Schritte in Richtung Arno, zur Brücke San t a Trinità .
    Zwei Sarden in sc h warz e n U m hängen spielten das traurige Weihnachtslied auf ihren Dudelsäck e n. Er blieb s tehen und gab ihnen etwas. Er war nicht in senti m e n taler Stim m ung, sondern nur sensibel, m i tfühlend, wie je m and, der sich gerade von einem Unfall erholt. Das einzige, was seine gereizten Nerven beruh i gte, war d e r Gedanke, daß es in seiner Welt etwas Verläß l iches gab, d e n Wacht m ei s ter .
    » Und das ist m ein zweiter Enkel bei d e r Erstko mm u nion – es heißt, er sieht m ir ähnlich, und das finde ich auch. Schauen Sie m al, hier auf dem Führers c heinbild, das b i n ich vor dreißig Jahren, da sieht ma n ’ s besser – ich hatte schon da m als einen Schnurrb a rt, aber trotzdem … «
    Der M a nn, seit zehn Minuten d e r Abteilgef ä hrte des Wacht m e isters, hatte eine dicke, abg e wetzte Brieftasche m i t Fotografien, die er u n bedingt schon jetzt zeigen wollte, obgleich der Zug noch i m m er auf Bahnsteig 10 wartete und keinerlei A n stalten m ac h te, sich in B ewegung z u setzen. Der Waggon war voll, obwo h l die Sonderzüge m it ausländischen Arbeitern aus Deutschland und der Schweiz, kaum beachtet von der B evölkerung, schon in den vora n gegangenen Nächten durchgefahren waren. Der Wacht m e ister hatte sich auf einen Fensterplatz gezwängt, i hm gegenüber saß sein korpulenter Freund m it d en Fotos. Er würde w a rten können. Sie hatten eine Nacht u n d einen ganzen Tag vor sich, und seine eigenen Fotos steckten in der Brusttasche .
    Eine Durchsage schallte durch den überfüllten Bahnhof .
    » Das ist für uns « , rief der Freund d e s Wacht m eisters, ein abgehärteter und übers p rudelnder R eisender. Er hatte von allen Abteilinsassen die Wasserflaschen eingesam m elt und einen vorbeigehenden Gepäckträg e r überredet, sie a m , Wasserhahn auf dem Bahnsteig aufzufüllen. » Halten die uns für Tourist e n, die für eine Flasche Mineralwasser ein paar tausend Lire ausgeben kö nnen – wiss e n Sie, w a s d as in zwei Tagen kost e n würd e ? «
    »Der Schnel l zug Nummer 597 nach Syrakus und Palerm o , über R o m, N eapel und R e ggio Calabr i a, planmäßi g e Abfahrt 19.49 U h r, wartet auf Gleis 10. Der Schnellz u g Nummer 597… «
    »Wartet? V e r m utlich auf den Nach m ittagstee … «
    »Reisende n ach Syrak u s und Palermo … «
    Noch i m mer kletterten Menschen in d en Zug, viele standen oder saßen a uf ihren kla p prigen Koff e rn in den G ä ngen. Und alle hatten für einen Sitzplatz bezahlt .
    » A r m es Italie n « , m e inte der redselige Reisende, a l s er sah, daß der Blick des W acht m eisters auf diese Pechvög e l gerichtet war. » Man braucht Geduld, wirklich wa h r. Schauen Sie nur, die b eiden dort in der Ecke. «
    Ein Paar, Mann und Fr a u, klein und grauhaarig, aber es war sehr sc h wer zu sag en , wie alt sie sein m ochten .
    » Sie würde n ’s nicht gla u ben, wie la n ge die beiden schon unterwegs s i nd, we n n m an sie so a n schaut. Ich bin erst in Valenciennes zugestieg e n, aber sie k om m en aus Deutschland – er arbeitet dort, soviel habe ich inzwischen herausgefunden –, irgendwo haben sie einen Anschl u ß verpaßt, hatten keine Ahnung, w a s sie m achen sollten. Ich glaube, sie haben m indestens eine ganze Nacht auf einer Bank in einem Wartesaal gesessen, so k erzengerade wie jetzt. Es ist schon schwer … u nd ich wette, sie rühren sich nicht, wenn wir heute nacht das Licht aus m achen. Sie werden in dieser Haltung sitzen bleiben, bis wir in Re g gio Calabria sind, dort kom m en sie nä m lich her, das haben s i e m ir schon erzählt … Aber ich, ich ha b ’s gern b eque m . «
    Dem Wacht m eister war nicht klar, wie er sich das vorstellte. Ihre Knie waren ineinander verkeilt, und vier dicke Frauen saßen z wis c hen ihnen u nd dem sc h weigsa m en Paar in der E cke .
    » Und ich weiß ganz bestim m t«, fuhr sein Freund wispernd fort, » daß sie nichts mehr zu essen haben. Wahrscheinlich haben sie
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