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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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Computer vertrauen. Das ist nichts, das er gerne tut. Sein Vorgänger hat möglicherweise dasselbe empfunden, kurz bevor er mit dem Erztransporter zusammenstieß.
»Kommandant Brannigan«, sagt der Computer. »Ich identifiziere die Strukturen vor uns mit 74,5 Prozent Wahrscheinlichkeit als automatische Luftschleuse für Kleinraumschiffe.«
»Einfliegen und dann stoppen.«
»Verstanden.«
»Und die Lebenserhaltung reaktivieren. Ich kriege langsam Eisfüße.«
Während der Computer sein »Verstanden« zum Besten gibt, überlegt Walpar. Er befindet sich in einer Luftschleuse in Gottes Ohr, das erst in einer Woche eröffnet wird. Bedeutet das, dass Gott den Menschen bisher überhaupt nicht zugehört hat? Das würde so einiges erklären.
Andererseits weiß Walpar genau, dass es sich bei dem Objekt nicht um einen oder den Gott handelt. Es ist eine Puppe, der ein Finger abhanden gekommen ist. Trotzdem macht die Allegorie irgendwie Spaß, daher wird er vorläufig dabei bleiben.
»Haben wir Sensoren für Luftdruck?«, fragt Walpar.
»Positiv. Der Druckausgleich ist jetzt abgeschlossen.«
Plötzlich wird es hell. Walpar kneift die Augen zu und hört ein metallisches Surren. Leider hat er seine Sonnenbrille vergessen, deshalb nimmt er durch sein Bullauge nur unter Tränen wahr, was sich draußen befindet.
Zuerst sieht er Wimpel, dann Plakate. Als Nächstes einen Tisch mit weißer Decke und Schampuskübeln. Alles ist bereit für die Eröffnung. Walpar ist der erste Gast, genaugenommen ist er eine Woche zu früh dran. Das ist bestens, denn Walpar mag sowieso keine opulenten, überbevölkerten Partys.
»Schön«, murmelt er, »dann suche ich mal den Hausmeister. Öffne die Luke, Computer.«
»Es tut mir leid, Mr. Brannigan, aber das kann ich nicht tun.«
Walpars Füße werden noch kälter. »Warum nicht?«
»Bedauerlicherweise ist das zugehörige Relais defekt.«
Walpar schließt die Augen. »Das darf doch nicht wahr sein«, stöhnt er.
Schweigen, dann fährt der Computer fort: »Es gibt einen manuellen Öffnungsmechanismus.«
Ächzend wischt Walpar sich ein paar verirrte Tränen aus den Augen.
Dann richtet er sich auf, sucht und findet den rot markierten Hebel und zieht.
Es zischt, dann klappt die Luke auf. Walpar klettert hinaus.
Die Luft im Gehörgang Gottes ist atembar und riecht nach Chemiekeule.
Es ist nicht jene Art von Chemiekeule, die in Schulklassen eingesetzt wird, um Masern, Windpocken und die Pest einzudämmen. Es ist auch nicht jene Sorte, die sich mittellose Alleinerziehende in den Nacken schmieren, um betuchte Herren zu betören.
Es ist jene Sorte Chemie, die nach Elektronik riecht, die noch so neu ist, dass sie bisher nur einmal kaputtgegangen ist, zur Reparatur gebracht und mit dem Vermerk »Gerät völlig in Ordnung« zurückgegeben wurde.
Spätestens an diesem Ort ist offensichtlich, dass die Schöpfer dieses Objektes nur auf äußerliche Ähnlichkeit mit Gott Wert gelegt haben. Das riesige Schild mit der Aufschrift »Privatveranstaltung« zerstört die letzte Illusion, hier im Ohr des tatsächlichen Schöpfers zu stehen. Ja, zu stehen: Offenbar erzeugt der Leib genug Schwerkraft, um zumindest ein bisschen am Boden kleben zu bleiben. Wer energisch herumhüpft oder mit dem Fuß aufstampft, wird allerdings unter der Decke landen, wie der Installateur, der ein Stück entfernt an einer Energiesparlampe herumfummelt.
Walpar tut so, als gehöre er dazu, legt die Hände auf den Rücken und schlendert umher, als habe er gerade eine anstrengende Aufgabe erledigt und schaue sich jetzt an, was die Kollegen währenddessen geleistet haben.
Er wendet sich zur Schleuse um, wirft einen Blick durch die gläserne Luke, hinter der sein Leihraumschiff geduldig auf seine Rückkehr wartet. Erst jetzt fällt ihm ein Schild auf, das in der Schleusenkammer angebracht ist:
»V.I.P.-Landebucht! Allgemeines Parkhaus im anderen Ohr.«
Walpar runzelt die Stirn und dreht sich um, atmet ein, nimmt den Anblick in sich auf: Dutzende Großbildschirme, die derzeit nur ein Testbild zeigen, der Tisch für den Sektempfang, roter Teppich, weiter hinten pompöse Treppen, die vermutlich ins Gehirn hinaufführen. Das scheint eine angemessene Richtung zu sein. Walpar nickt dem Installateur unter der Decke zu, als würde er sich freuen ihn mal wieder zu sehen, und schreitet dann leicht die Stufen hinauf. Die breite Treppe windet sich großzügig hinauf zu einer Zwischenebene. Zuerst fällt Walpar wieder ein Schild auf: »Zu den Kinosälen.“Es ist über
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