Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
sich vor und küßte sie aufs Ohr, dann machte er kehrt und sprintete den Korridor hinauf.

W as ist bloß mit dir los? fragte sie sich. Er ist fröhlich, sieht gut aus, und er mag dich. Warum kannst du das nicht akzeptieren? Was sie gerade durchgemacht hatte — so schrecklich es war hatte nichts mit Rick zu tun, war nicht seine Schuld. Er wußte nicht einmal davon. Warum war sie ihm also böse, daß er kein Mitleid mit ihr hatte? Denn genau das war ihre Empfindung. Es ergab keinen Sinn. Nichts in dieser vergangenen Woche ergab einen Sinn.
    Sie folgte Ricks Angaben, fand den Empfangsbereich und setzte sich hin, um zu warten. Was war, wenn sie sich geirrt hatte? Wenn es gar keine Zahlenkombination für ein Spindschloß war? Wenn die Polizei den Spind bereits gefunden hatte? Wenn gar keine Bänder darin waren? Diese »Wenn« würden sie noch verrückt machen. Ach, verdammt, dann hätte sie sich eben geirrt. Daran sollte sie sich inzwischen gewöhnt haben.
    Sie rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Wenn Rick nun nicht zurückkäme? Er könnte einfach die Kassetten nehmen und verschwinden. Ihr wurde flau im Magen. Was für ein irrer Gedanke. Sie schüttelte den Kopf. Sie würde ihm sagen, daß sie sich krank fühlte, was ja stimmte, und nicht mit zum Kennedy fahren könnte. Er hatte gesagt, sie sehe blaß aus, hatte sich aber nicht die Mühe gemacht, nach dem Grund zu fragen.
    Sie streckte die Beine vor sich aus, bewegte sie und entdeckte ungleichmäßige rote Kleckse auf ihrer Strumpfhose, Blutflecken an den Knöcheln und Schienbeinen, und ihre Gedanken eilten zurück ins Büro, Jake, Blut, Robertas wahnsinnige Augen, das Messer, das die Luft zerschnitt.
    »Kann ich was für Sie tun?« Eine attraktive Brünette, die ein Caravanserie-T-S hirt, ein sehr enges schillerndes Trikot mit hoch angeschnitten Beinen und eine dazu passende Strumpfhose mit weißen Stulpen um die Waden trug, kam strahlend auf sie zu.
    Wetzon schrak auf. »Nein, nein, danke, ich warte auf jemand.« Sie sah auf die Uhr. Viertel vor acht. Warum brauchte er so lange? Sie schlug ein Bein über und wippte mit dem Fuß. Sie zitterte vor innerer Unruhe. Sie stand auf, übernervös, als hätte sie eine Oberdosis Koffein in sich. Es kam einfach zuviel zusammen. Barry, Georgie, Buffie, Mildred, Jake, Roberta... Leon und Smith... Barry, der so unterschiedliche Gesichter für so viele verschiedene Leute gehabt hatte und dessen Geldgier eine Lawine ausgelöst hatte... aber er wurde nicht als einziger von Geldgier getrieben. Und was immer Barry gewesen sein mochte, zu sterben hatte er nicht verdient.
    Sie war mit einemmal beinahe euphorisch vor Erleichterung, daß es Roberta war, die die Morde begangen hatte, nicht jemand, den Wetzon gut kannte. Smith war...
    »Gehen wir, Süße.« Rick war plötzlich neben ihr, hatte sie fest im Arm, und sie waren draußen auf dem Bürgersteig und rannten. Ein feiner Sprühregen ließ die Straßen glänzen. Die vorbeibrausenden Autos, die Scheinwerfer, die sich auf dem nassen Asphalt spiegelten, verwirrten sie. Sie blinzelte, um klar zu sehen, aber die Augen wurden nicht klar.
    »Hierher!« rief Rick ein Taxi herüber. »Kennedy«, sagte er, indem er die Tür aufmachte. »TWA, International, und machen Sie schnell.« Er schob sie in das Taxi.
    »Möchten Sie das in den Kofferraum stellen?« fragte der Fahrer.
    »Nein, machen wir, daß wir fortkommen.«
    Soviel zu ihren Plänen. Ohne Gelegenheit zu protestieren, fand sie sich im Taxi neben Rick wieder und raste zum Kennedy Airport. »Hast du sie gefunden?« flüsterte sie. Hatte er International gesagt?
    »Hm-hm.« Er beugte sich vor und zog den Reißverschluß eines kleinen Fachs seines Matchsacks auf. Es war eine Goldgrube. Sie versuchte, sie zu zählen, verzählte sich. Wie viele waren es? Zwanzig? Dreißig? »Sie sind beschriftet«, sagte er. »Du kannst es sehen, wenn wir mehr Licht haben.«
    Ihre Hand zitterte, als sie ihren Terminkalender und ihre Papiere auf die Seite schob und die Kassetten in ihrer Aktentasche verstaute. Die ausgeweitete Tasche ging nicht mehr zu. Hektisch packte sie alles um; endlich hörte sie den Verschluß einrasten. Sehen Sie, würde sie zu Silvestri sagen, sehen Sie, was ich getan habe — ich präsentiere Ihnen, wonach alle gesucht haben. Sie war selbst damit fertiggeworden. Vielleicht würde es das Fiasko mit dem Schlüssel wettmachen. Dann würde er sich vielleicht um sie kümmern, nur ein klein wenig... »Vielen Dank, Rick, aber waren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher